Bei TUMO wird Bildung für Kinder und Jugendliche neu gedacht.
Von Stefanie Ball
Warum fallen die Bananen nicht runter, sodass der Affe sie auffangen und verspeisen kann? Das Onlinespiel enthält einen Programmierfehler, und Luanas Aufgabe ist es, ihn zu finden. Die 14-Jährige sitzt auf einem Tumobile, einer Art mobilem Arbeitsplatz auf Rollen, im TUMO-Zentrum Mannheim. Sie ist eine von 180 Schülerinnen und Schülern, die sich zwei Mal in der Woche nachmittags mit Themen wie Robotik, Spieleentwicklung, Grafikdesign, Animation oder Video- und Musikproduktion beschäftigen. Die Teilnehmer kommen freiwillig, bezahlen müssen sie nichts.
TUMO ist eine digitale Bildungsinitiative, die auf innovative Weise Kinder und Jugendliche an die Technologien der Zukunft heranführen und fit machen möchte für morgen und übermorgen. Benannt wurde sie nach einem Park in Armenien, der dem Schriftsteller Hovhannes Tumanyan gewidmet ist und von den Bürgern abgekürzt TUMO genannt wird.
Armenier sind auch die Ideengeber des pädagogischen Lernkonzepts: Die Erfinder heißen Sam und Silva Simonian, beide in Beirut geboren und in den USA aufgewachsen. Sie haben 2011 das erste TUMO-Zentrum in besagtem Park in der armenischen Hauptstadt Jerewan eröffnet. Inzwischen gibt es weltweit 14 solcher Zentren, das erste TUMO-Zentrum Deutschlands entstand 2020 in Berlin. Die damalige Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hatte sich nach einem Besuch in Armenien für das Bildungsprojekt begeistert.
Angetan war auch Mannheims ehemaliger Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Im März 2024 konnten die ersten Teilnehmer des zweiten deutschen Zentrums in einem umgebauten Gebäudeteil des Mannheimer MAFINEX Technologiezentrums auf drei Etagen loslegen. Träger von TUMO Mannheim ist der gemeinnützige Verein Starkmacher, der sich in der außerschulischen Jugendbildung engagiert. Hauptgeldgeber sind die Dietmar Hopp Stiftung, die den Verein durch eine Spende bei der Umsetzung des Projekts unterstützt, und die Stadt Mannheim, die die Räume im Gründungszentrum kostenfrei zur Verfügung stellt. Auch die Mannheimer Wirtschaftsförderung, NEXT Mannheim und die KfW unterstützen das Bildungsprojekt, das ein wichtiger Baustein der Mannheimer MINT-Bildungskette ist.
Das Konzept sieht vor, dass die Schülerinnen und Schüler in ihrem eigenen Tempo und nach ihren Interessen lernen. Es gibt acht Lernfelder, und jedes Thema wird in Selbstlernphasen und Workshops erarbeitet, in denen Roboter gebaut, Lieder komponiert oder Spiele entwickelt werden. Dafür kommen die Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren zwei Mal in der Woche für jeweils zwei Stunden. Im Durchschnitt dauert es sechs Monate, um ein Lernfeld komplett zu durchlaufen. Wer dann keine Lust mehr hat, hört auf – oder startet ein neues.
„Wie und was die Jugendlichen lernen, ist ihnen überlassen“, sagt Christian Röser vom Vorstand des Starkmacher e. V. Entscheidend sei die Freude am Lernen, der Spaß am Entdecken, die Erkenntnis, etwas Neues verstanden zu haben und das in Technologien, die maßgeblich für die Zukunft sein werden wie eben Robotik oder Coding. Mitmachen können alle, wobei laut Röser der Fokus auf der Chancengleichheit liegt. Vor allem Kinder und Jugendliche aus einem schwierigeren Umfeld oder mit Lernschwierigkeiten sollen Zugang zu Bildung bekommen. „Teilhabe an der Zukunft setzt voraus, dass die Kinder und Jugendlichen das dafür notwendige Rüstzeug erhalten.“
Zur Seite stehen den Teilnehmern Coaches und Workshopleiter, gearbeitet wird an Apple-Tablets und in hellen Räumen, wo sich jeder seinen Platz selbst sucht, ob im Sitzsack, auf dem Boden oder in den „Rollstühlen“. Für die Workshops, in denen das individuell erlernte Wissen unter Anleitung vertieft wird, gibt es eigene Räume. Hier werden an großen PCs Spiele entwickelt oder in einem komplett eingerichteten Musikstudio Instrumente erlernt und Lieder komponiert. „Nach den Erfahrungen in anderen Zentren bleiben die Teilnehmer im Durchschnitt zwischen einem und zwei Jahren“, sagt Röser.
Die Nutzung der Marke funktioniert nach dem Franchisekonzept: Bildungssoftware und Lerninhalte werden vom Franchisegeber, TUMO in Jerewan, zur Verfügung gestellt. Das Erscheinungsbild ist weitgehend einheitlich. Das Design von Tischen und Stühlen etwa wurde in Armenien entwickelt. Wer sich als Coach oder Workshop-leiter bewerben will, stellt sich nicht nur bei den Geschäftsleitungen vor Ort vor, sondern durchläuft auch ein Recruiting-Gespräch per Videokonferenz mit TUMO Armenien.
In Mannheim werden die Kapazitäten langsam nach oben gefahren, Anfang 2025 sieht die Planung die Teilnahme von rund 600 Schülern vor, langfristig sollen es 1.000 sein.
Luana hat den Fehler gefunden. Sie trägt die Lösung in das Aufgabenfeld in ihren individuellen Lernpfad ein. Sind alle Aufgaben gelöst – überprüft wird die Richtigkeit von den Coaches – kann Luana sich für einen Workshop anmelden. Einen ersten Workshop hat sie bereits besucht: zum Thema Film. „Das hat Spaß gemacht“, sagt die Schülerin des Mannheimer Moll-Gymnasiums. Sie würde gerne Schauspielerin werden. „Aber das ist natürlich nur ein großer Traum.“