Mit altersgemischten Teams, Lebensarbeitszeitkonto und betriebseigener Weiterbildung macht Essity in Mannheim gute Erfahrungen.
Von Stefanie Ball
Wer beim Hygiene- und Gesundheitsunternehmen Essity, Hersteller unter anderem des Papiertaschentuchs Tempo, früher in Rente gehen will, hat zwei Möglichkeiten: über die tarifvertragliche Altersteilzeit oder das tarifvertragliche und betrieblich ausgestaltete Lebensarbeitszeitkonto. Der Nachteil der Altersteilzeit: Die Plätze sind begrenzt, und nur diejenigen, die die Kriterien erfüllen, können über diesen Weg dem Arbeitsleben früher ade sagen.
Deshalb hat Essity vor ein paar Jahren das Lebensarbeitszeitkonto eingeführt. Hier kann ein Teil des Entgelts eingezahlt und das angesparte Guthaben später für eine bezahlte Freistellung genutzt werden. „Die einen verreisen, die anderen nehmen sich Zeit für die Kinder, die dritten planen, ein oder zwei Jahre früher in Rente zu gehen “, erklärt Essity-Personaldirektor Yves Lagarde.
Das führt aus Sicht des Unternehmens zu einer besseren Planbarkeit: „Mit dem Lebensarbeitszeitkonto bestimmen der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin selbst, wann er oder sie in den Ruhestand eintritt, und das ermöglicht uns, mit diesen Zeiten zu planen.“
Essity fördert die Einrichtung eines Lebensarbeitszeitkontos mit einem Zuschuss. Rund acht Prozent der Belegschaft sparen inzwischen „Geld für die Freizeit“, das sind 327 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 190 davon in Mannheim. Der Personalexperte hält das Sparkonto speziell mit Blick auf die Rente für attraktiv. „Der Wunsch nach Flexibilität und nach mehr freier Zeit ist hoch und viel größer als noch vor der Corona-Pandemie.“
Mit dem Lebensarbeitszeitkonto bestimmen der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin selbst, wann er oder sie in den Ruhestand eintritt.
Essity-Personaldirektor Yves Lagarde
Damit mit den Mitarbeitern, die sich in den Ruhestand verabschieden, nicht auch das Wissen schlagartig verschwindet, trifft der Konzern Vorkehrungen. So wird, wo möglich, in altersgemischten Teams gearbeitet, damit die „Neuen“ von den erfahrenen Kollegen lernen können. „Idealerweise gibt es vor dem Renteneintritt eine Übergangszeit, in der bei geplanten Austritten ein neuer Kollege vom scheidenden Mitarbeiter eingearbeitet wird“, erklärt Frank Gottselig, Konzernbetriebsratsvorsitzender bei Essity.
In der Praxis stößt der Wunsch allerdings an seine Grenzen, weil Kostenaufwand und Koordinierungsbedarf hoch sind. Bei sehr komplexen Prozessabläufen an den Papiermaschinen werde aber darauf geachtet, dass das Wissen erst noch weitergegeben werde, ehe der Mitarbeiter sich aus dem Arbeitsleben verabschiede.
Daneben hat Essity eine betriebseigene Weiterbildung etabliert, die Essity Academy. „Unser Ansatz basiert auf dem 70/20/10-Modell: 70 Prozent des Lernens erfolgt im Job, 20 Prozent durch Lernen von anderen durch Mentoring oder Coaching und zehn Prozent durch Schulungen oder Trainings“, sagt Lagarde.
Das Spektrum an Lernmöglichkeiten sei breit angelegt, darunter digitale Schulungsangebote, Präsenztrainings und sogenannte „One Pager“, die wichtige Informationen und Anleitungen für Maschinen oder Prozesse enthalten. „Fachkräfte zu haben und zu halten ist für Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Qualifizierte Mitarbeiter sind das Rückgrat eines erfolgreichen Unternehmens“, so der Personaldirektor. Deshalb seien Aus- und Weiterbildung essenziell. Bestehende Fähigkeiten könnten auf diese Weise aktualisiert und neue erworben werden. „Das sollte in einer im Unternehmen zu entwickelnden Lernkultur verankert sein, die durch Programme und Zielvereinbarungsgespräche unterstützt wird, in denen Mitarbeiter auch ihre Vorgesetzten um Unterstützung bitten können.“ Betriebsratsvorsitzender Gottselig betont, dass der Mensch dabei immer im Mittelpunkt stehen müsse: „Er ist die wichtigste Ressource der Unternehmen.“
