Der schwedische Essity-Konzern hat die Produktion des in Deutschland, Österreich und der Schweiz meistgekauften Papiertaschentuchs in das Mannheimer Werk verlegt – gleich neben das Zewa-Toilettenpapier.
Von Dieter Keller
Nur selten steht ein Markenname für eine ganze Produktgruppe. Tempo ist so einer. Vor 95 Jahren kam das erste Papiertaschentuch in Deutschland auf den Markt – ein Erfolg von Anfang an. Noch heute ist Tempo Marktführer, auch in Österreich und der Schweiz. Seit kurzem wird es in Mannheim produziert. Genauer gesagt im nördlichen Stadtteil Waldhof. Hier hat der schwedische Essity-Konzern sein größtes europäisches Werk.
Das Einweg-Papiertaschentuch war die geniale Idee der Brüder Oskar und Emil Rosenfelder, denen eine Papierfabrik nahe Nürnberg gehörte. Sie hatten ein gutes Gespür und meldeten das Warenzeichen 1929 gleich beim Reichspatentamt in Berlin an. So entstand eine Markenikone, die dem temporeichen Zeitgeist der 1920er-Jahre entsprach.
Jahrzehntelang wurde Tempo im nordrhein-westfälischen Neuss produziert. 2007 übernahm der schwedische Zellstoffproduzent SCA Marke und Werk. Zehn Jahre später spaltete er den Geschäftsbereich Hygieneprodukte ab. So entstand die börsennotierte Essity mit Sitz in Stockholm, für die Deutschland der wichtigste Absatzmarkt ist – und Mannheim der mit Abstand größte Standort in Europa.
Dass die Tempo-Taschentücher jetzt von hier kommen, ist das Ergebnis einer Neuordnung der Produktion. Essity konzentrierte die Herstellung von Markenartikeln in Mannheim. Dafür entstehen jetzt alle Handelsmarken in Neuss. Daher zogen die Produktionslinien vom Niederrhein an den Zusammenfluss von Rhein und Neckar, wo auch eine weitere große Marke ihre Heimat hat: Zewa-Toilettenpapier und -Küchenrollen. Die Marke Zewa steht für die Zellstofffabrik Waldhof, die 1884 gegründet wurde. Papiertaschentücher unter diesem Namen hat Essity nicht mehr im Sortiment. Die Schweden mussten ihn für dieses Produkt aus kartellrechtlichen Gründen bei der Tempo-Übernahme abgeben.
Zahlreiche Innovationen begleiteten die Entwicklung von Tempo. So sind die Papiertaschentücher seit 2017 waschmaschinenfest und trotzdem sanft zur Nase. Selbst bei 60 Grad lösen sie sich nicht auf. Es gibt Versionen wie „Tempo sanft und frei“ mit Eukalyptus-Atemfrei-Öl oder „Tempo soft & sensitive“ mit Mandelöl und Aloe Vera für empfindliche Nasen. Neben den traditionellen Päckchen mit zehn Taschentüchern kann man auch Kleinformate mit wechselnden Designs oder die Tempo-Box wählen.
In Mannheim ist der gesamte Produktionsprozess angesiedelt – von der Herstellung des Zellstoffs aus FSC-zertifiziertem Holz bis zum fertigen Tempo-Taschentuch. Aus dem Zellstoff entsteht auch das Zewa-Toilettenpapier, dem neuerdings zudem Stroh beigemengt wird. Rund 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten die fünf Papiermaschinen für Hygienepapiere rund um die Uhr am Laufen. Insgesamt hat der Standort 2.300 Beschäftigte.
Tempo stärkt unseren Standort und die Region.
Carlo Russo, Werkleiter Mannheim Essity Deutschland
Foto: Essity
„Tempo hat ein einzigartiges Erfolgsrezept, und wir sind hier im Werk sehr stolz, täglich Teil dieser Geschichte zu sein“, sagt Carlo Russo, seit Anfang 2023 Werksleiter in Mannheim. „Als Marken-Standort hat man zudem den Vorteil, Innovationen voranzutreiben und Zukunftsprodukte ins Werk zu holen.“ Bei der Weiterentwicklung steht die Nachhaltigkeit im Vordergrund. So entstehen die Tempo-Kartonboxen zu mindestens 70 Prozent aus recycelten Fasern, und die Papiertaschentuchpackungen bestehen zu einem Drittel aus Recyclingmaterial.
Mehr im Internet:
Verfolgen Sie die Geschichte von Tempo.
Essity feiert Jubiläum
Mit einem großen Betriebsfest feierte das Mannheimer Werk von Essity am 6. Juli 2024 seinen 140. Geburtstag. Bereits seit 1884 wird in Mannheim Papier produziert.
Damals sah Unternehmer Carl Haas eine Marktlücke und gründete zusammen mit seinem Bruder Rudolf und Dr. Carl Clemm die Zellstoff-Fabrik Waldhof. Ein Meilenstein gelang 1915: Das Waren- bzw. Markenzeichen Zewa, abgeleitet von Zellstofffabrik Waldhof, wurde eingetragen und die Produkte in Mannheim hergestellt. Heute gehört das Mannheimer Werk zu Essity, ist größter europäischer Produktionsstandort des Unternehmens und der fünfgrößte Arbeitgeber in Mannheim.
Wie Emanuela an der Neckarschule Mannheim zur Hygiene-Heldin wurde
An den 17. Mai 2024 wird sich Emanuela, Schülerin der Klasse 4b der Mannheimer Neckarschule, noch lange erinnern. Denn nicht jeden Tag wird man zur „Hygiene-Heldin“ ernannt und erhält persönlich ein Diplom von Bürgermeister Dirk Grunert überreicht. Und das kam so: Über 30 Themen standen in der alljährlichen Projektwoche vor Pfingsten an ihrer Schule zur Auswahl und die Zehnjährige zögerte nicht lange. Sie entschied sich für den Workshop „Hygiene“, eine Premiere an der Grundschule. Nun kennt Emanuela ganz genau die Bedeutung des Themas Händewaschen – auch wegen des Einsatzes von Schwarzlicht. „Hier konnten wir genau sehen, wie viele Bakterien und Mikroben sich auf den Händen ansiedeln, wenn man diese nicht ordentlich reinigt.“ Auch das Tabuthema „Menstruation“ diskutierten Kinderkrankenschwestern mit den teilnehmenden Mädchen aus den Klassen 3 und 4 ausführlich. Hilfreich war hier ein selbstgebasteltes Periodenarmband mit 28 Perlen. Besonders viel Spaß machte die künstlerische Gestaltung der Toiletten, für die das Mannheimer Kunstkollektiv studio68 mit ins Boot geholt wurde. „In Deutschland vermeiden 53 Prozent der Kinder häufig den Gang auf die Schultoilette“, so Peter Deffaa, Schulleiter der Neckarschule. „Wir haben mit diesem Bildungsprojekt nicht nur das Bewusstsein für Hygiene gestärkt, sondern auch unsere Schultoiletten zu Räumen verwandelt, in denen Kinder gerne auf ihr Wohlbefinden achten. Das ist umso wichtiger, da 90 Prozent der 350 Kinder, die die Neckarschule besuchen, einen Migrationshintergrund haben.“ Beim Thema Hygieneverständnis, so der Pädagoge, gebe es erschreckende Unterschiede, die auch in der Neckarschule deutlich werden.
Als Partner mit dabei: das Hygiene- und Gesundheitsunternehmen Essity. „Die Projekte, die wir gemeinsam mit der Mannheimer Neckarschule auf den Weg brachten, haben die Neugierde der Schülerinnen und Schüler geweckt und sie motiviert, mehr über die essenzielle Bedeutung von Hygiene und Gesundheit zu lernen. Diese Kooperation ist ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmen und öffentliche Einrichtungen zusammenarbeiten können, um positive Veränderungen zu bewirken und eine bessere Zukunft für alle zu schaffen“, so Oliver Obel, Vice President Sales & Marketing Region Central & IKA bei Essity Professional Hygiene. Gemeinsam mit der Neckarschule hat Essity das Programm zum Thema Schulhygiene ausgearbeitet und Schulungsmaterial wie das Schwarzlicht zur Verfügung gestellt. Tatkräftig unterstützt hat Essity die Projektwoche auch mit eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Schulleiter Deffaa würde dieses Pilotprojekt gerne fortführen. „Das Thema Toilettenhygiene wäre sicher ein Bereich, der sich hier anbieten würde.“ uc