Neue Technologien ziehen auch in der Landwirtschaft ein – und im Mannheimer Werk von John Deere, dem wichtigsten Standort des Unternehmens außerhalb von Nordamerika.
Auch John Deere hat sich das Thema Smart Industrial Company auf die Fahnen geschrieben und Sie waren an diesem Wandel führend beteiligt. Können Sie uns hier einen Einblick und ein Beispiel geben?
Deanna Kovar: In den letzten Jahren war ich maßgeblich am Wandel vom reinen Maschinenhersteller zur Smart Industrial Company beteiligt. Dabei hatte ich das große Glück, von Anfang an dabei zu sein, als die modernen Technologien Einzug in die Landwirtschaft gehalten haben. Vor 20 Jahren sind wir mit dem GPS-basierten Parallelfahrsystem „AutoTrac“ gestartet. Die Technologie mit einer Spurgenauigkeit von +/- 2 cm gehört heute quasi zur Standardausstattung einer modernen Landmaschine. Durch das genaue und vollautomatische Lenken haben wir die Grundlage für alle weiteren Schritte der Präzisionslandwirtschaft geschaffen. Heute können die Landwirte und Landwirtinnen beispielsweise einzelne Bereiche ihrer Ackerflächen abhängig von Bodenunterschieden und der Ertragserwartung spezifisch behandeln. Inzwischen gehen wir noch einen Schritt weiter und bieten Technologien an, die jede einzelne Pflanze exakt mit der richtigen Menge an Pflanzenschutz und Dünger versorgen können.
Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz bei John Deere, bei den Produkten, aber auch in der Produktion?
Kovar: Auch in der Landwirtschaft geht es nicht mehr ohne Künstliche Intelligenz. Beispielsweise sind unsere Pflanzenschutzspritzen heute bereits damit ausgestattet. KI-basierte Kameras an der Spritze scannen das Feld, erkennen, ob es sich um Kulturpflanzen oder Unkräuter handelt, und bringen Herbizide dann gezielt aus. Der landwirtschaftliche Betrieb kann dadurch den Pflanzenschutzmittelaufwand um bis zu 60 Prozent reduzieren. Aber auch in der Produktion unserer Maschinen setzen wir Künstliche Intelligenz ein. Im Frühsommer 2024 haben wir zum Beispiel einen Roboter in Betrieb genommen, der die Traktoren in der Fertigungslinie scannt und mit einem digitalen Zwilling abgleicht. So wird überprüft, ob alle Montageschritte richtig durchgeführt wurden. Das ist bei der riesigen Vielfalt an Ausstattungsvarianten nur mithilfe Künstlicher Intelligenz möglich.
In den vergangenen Jahren lief das Geschäft bei John Deere sehr gut, 2024 sind die Zahlen etwas schwächer. Woran liegt das?
Kovar: Die letzten Jahre waren von einer hohen Nachfrage nach Landmaschinen geprägt. Aktuell halten sich die Landwirtinnen und Landwirte weltweit mit ihren Investitionsentscheidungen zurück. Gründe dafür sind vor allem die gesunkenen Preise, die momentan für Produkte aus der Landwirtschaft erzielt werden können. Höhere Zinsen und die Verunsicherung, wie sich die Landwirtschaft weiter entwickelt, tragen ebenfalls dazu bei, dass landwirtschaftliche Betriebe weniger neue Maschinen anschaffen bzw. Kaufentscheidungen vorerst zurückgestellt werden.
In Mannheim ist John Deere mit rund 3.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der drittgrößte Arbeitgeber – welche Bedeutung hat der Standort Mannheim für den Konzern und was planen Sie für die nächsten Jahre?
Kovar: Die Mannheimer Fabrik ist der größte John Deere-Standort außerhalb Nordamerikas. Außer den bekannten grün-gelben Traktoren fertigt das Werk verschiedene Getriebe-Varianten, die sowohl in Mannheimer Traktoren verbaut als auch an andere John Deere-Fabriken geliefert werden. In der Quadratestadt ist außerdem das Entwicklungszentrum für die mittleren Traktorenbaureihen von John Deere weltweit ansässig. Das Unternehmen investiert im John Deere Werk Mannheim aktuell einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Bestandteil dieser Investition ist der Neubau der Lackieranlage. Gleichzeitig modernisieren wir die komplette Traktorenendmontage. Damit sind wir gerüstet für die Weiterentwicklung unseres Produktprogramms und die steigende Ausstattungsvielfalt unserer Traktoren. Die Investitionen tragen maßgeblich zur Standortsicherung bei und sorgen dafür, dass die Produktion in Mannheim noch umweltfreundlicher und nachhaltiger wird.
Welches sind die wichtigsten Produkte, die in Mannheim hergestellt werden? Aus welchem Grund wurde die Fertigung eines Teils der Getriebe für Mannheimer Traktoren von Iowa nach Mannheim verlegt?
Kovar: In Mannheim fokussieren wir uns auf die 6R und 6M Baureihe und decken damit den Bereich von ca. 90 bis 250 PS ab. Die 6R Traktoren bieten maximalen Komfort und innovativste Technik. Sie sind daher vor allem für Betriebe geeignet, in denen viele Stunden auf dem Traktor verbracht werden und die mit modernsten Technologien die Produktivität und Nachhaltigkeit weiter steigern wollen. Die 6M Traktoren bieten in der Regel weniger Technik zu einem günstigeren Preis. Einsatzschwerpunkte sind einfachere Arbeiten. Aber auch Betriebe, die die Maschinen weniger stark auslasten, entscheiden sich gerne dafür. Einen Teil der Getriebefertigung haben wir 2024 nach Mannheim verlagert. Nun produzieren wir die Großgetriebe dort, wo sie in den Traktoren verbaut werden. Dadurch konnte der Logistikaufwand deutlich reduziert werden.
Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit im Mannheimer Werk und bei der Weiterentwicklung von Traktorenantrieben?
Kovar: John Deere hat als erster Landtechnik-Hersteller eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Darin haben wir uns klare Ziele gesteckt, wie die Kunden durch den Einsatz unserer Maschinen den Input an Pflanzenschutzmitteln und Düngemitteln sowie den Ausstoß an CO2 reduzieren können. Aber auch für unsere Produktion gibt es klare Vorgaben, was wir erreichen wollen. Ein Meilenstein ist dabei die Inbetriebnahme unserer neuen Lackieranlage im Mannheimer Werk und damit ein wichtiger Schritt zur klimaneutralen Fabrik. Abwässer und Abfälle werden vermieden und die Emissionen auf ein Minimum reduziert. Durch die Montage weiterer Photovoltaikmodule produzieren wir immer mehr Strom selbst. Inzwischen verfügen wir im John Deere-Werk Mannheim über mehr als 2,7 MW installierter Leistung.
Für Ihre neue Aufgabe als Europachefin von John Deere sind Sie aus den USA nach Deutschland gezogen. Wo haben Sie sich mit Ihrer Familie niedergelassen und wie gefällt es Ihnen hier? Worin unterscheidet sich Ihr neues Leben am meisten vom Alltag in den USA?
Kovar: Mit meiner Familie wohne ich in einem Dorf in der Nähe von Frankfurt. Für unsere 11-jährige Tochter haben wir dort eine sehr gute Schule gefunden. Der Standort ist von der Anbindung an den Frankfurter Flughafen und mein Büro in Mannheim ideal. Mit meinem Mann und meiner Tochter unternehme ich viele Touren, um unsere neue Heimat kennenzulernen. Dabei entdecken wir immer wieder spannende Unterschiede zwischen Deutschland und den USA und genießen, wie schnell wir in anderen Ländern sind und ganz Europa erkunden können. Überrascht sind wir beispielsweise vom Straßenverkehr. Auf deutschen Autobahnen gibt es zwar kein Tempolimit, aber die Straßen sind ständig verstopft, sodass sich das Tempo meist von selbst regelt.
Ihre ganze Karriere haben Sie bei John Deere verbracht. Was verbindet Sie mit dem Unternehmen?
Kovar: Ich habe Landwirtschaft studiert und in den Semesterferien bei John Deere gejobbt. Da wuchs meine Begeisterung, in der Agrarindustrie zu arbeiten. John Deere ist sehr stark im Bereich der digitalen Landtechnik. Ich bin begeistert, dass wir angesichts des Tempos des technologischen Wandels in der Welt in Zukunft noch viel mehr Möglichkeiten haben, unseren Kunden zu helfen, noch profitabler, produktiver und nachhaltiger zu sein. Da ich von einer Farm stamme und weiß, wie man mit Farmern umgehen muss, fällt es mir leicht, diese Begeisterung für unsere Technologien auf sie zu übertragen.
Die Fragen stellten Sabine Rößing und Ulla Cramer.
Die neue Lackieranlage ist in Betrieb
John Deere treibt die Modernisierung seiner Traktorenfertigung durch den Bau einer neuen Farbgebungsanlage im Werk Mannheim weiter voran, die seit dem 8. Oktober 2024 in Betrieb ist und den Lackierprozess automatisiert, was eine gleichbleibend hohe Qualität sichert und äußere Störfaktoren weitgehend ausschließt. In der neuen Linie durchlaufen die Chassis zunächst sieben Reinigungs- und Vorbereitungsstufen, bei denen vier Roboter zum Einsatz kommen. Im Anschluss arbeiten zehn Roboter an der Grundierung und der grünen Schlusslackierung. Das gesamte Farbgebungssystem wird aus einem Kontrollzentrum überwacht und gesteuert. Die Kapazität der Anlage erlaubt den gleichzeitigen Durchlauf von ca. 100 Chassis, die im 2,7-Minuten-Takt bearbeitet werden. Neben den Fortschritten auf der Prozessebene bringt die neue Lackieranlage das Werk in Mannheim auch auf dem Weg zur klimaneutralen Fabrik einen großen Schritt voran. Der Neubau ist das erste Gebäude des global agierenden Landmaschinenherstellers, das die Effizienzstufe KfW-40 erfüllt. Neben der Verwendung von Technologien und Materialien zur Wärmedämmung, Wärmepumpen und Frequenzumrichtern ermöglicht eine Abgasnachverbrennung die Minimierung der Treibhausgasemissionen um bis zu 3.000 Tonnen CO2e (CO2-Äquivalente). Zudem haben die 3.600 Quadratmeter Solarpanels auf dem Dach das Potenzial, pro Jahr 800.000 kWh Strom für die interne Nutzung zu erzeugen. Die Investitionen für die Lackieranlage und weitere Modernisierungen in der Traktorenendmontage betragen rund 80 Millionen Euro. Das neue Gebäude hat eine Grundfläche von 7.000 Quadratmetern auf drei Ebenen. on