Interview mit Dr. Ingo Stader

„Keine Hurra-Ausstellung“

Dr. Ingo Stader. FOTO: H&C STADER

Ingo Stader ist geschäftsführender Gesellschafter der H&C Stader GmbH in Mannheim, einer Geschichts- und Kommunikationsagentur. Im Fokus stehen die Aufarbeitung und Darstellung der Historie unter anderem von Unternehmen. Schwierige Phasen werden dabei nicht ausgeschlossen. Stader will deshalb auch nicht von History Marketing sprechen, sondern von Corporate History Communication.

Herr Stader, was macht eigentlich eine Geschichtsagentur?
Dr. Ingo Stader: Wir sind eine Geschichts- und Kommunikationsagentur, das heißt, wir sind darauf spezialisiert, die Historie von Unternehmen, Institutionen, Verbänden nicht nur seriös aufzuarbeiten, sondern auch publikumswirksam darzustellen. Wir sind ausgebildete, wissenschaftliche Historikerinnen und Historiker mit Kommunikationskompetenz oder salopp formuliert – mit PR-Brille. Meistens ist der Anlass ein rundes Jubiläum, für das wir angefragt werden, denn historische Expertise gehört nicht unbedingt zum Tagesgeschäft einer Firma.

Was unterscheidet Jubiläumsausstellungen wie die der Sparkasse Rhein Neckar Nord, die Sie zuletzt für das Jahr 2022 konzipiert haben, von „normalen“ Ausstellungen etwa über die Wikinger oder einen berühmten Maler?
Stader: Gar nicht so viel! Es handelt sich bei dieser Ausstellung um keine Werbe-Show oder Hurra-Ausstellung. Auch wenn der Anlass 200 Jahre Sparkasse Rhein Neckar Nord war und die Sparkasse unser Auftraggeber, waren wir als Kuratoren völlig frei in der inhaltlichen Ausgestaltung der Ausstellung. Wir haben die Geschichte wissenschaftlich aufgearbeitet und im Kontext der Stadtgeschichte und allgemeinen Wirtschafts- und Sozialgeschichte dargestellt. Auch die dunklen Phasen der Geschichte wurden so transparent und kritisch beleuchtet.

Auch Unternehmen verfügen oft über Archive. Was finden Sie dort vor?
Stader: Wenn das Unternehmen über ein eigenes Archiv verfügt, das entsprechend sortiert und organisiert ist, dann erleichtert das unsere Arbeit natürlich enorm. Es ist ja die Innensicht des Unternehmens, hier finden sich Informationen, die nicht nur in Geschäftsberichten oder öffentlichen Verlautbarungen zu finden sind, sondern die Geschichten der Akteure, sprich der Mitarbeitenden, der Menschen, die in dem Unternehmen gearbeitet haben. Besonders wertvoll sind Mitarbeiterzeitschriften, Bilder, Fotoalben und Filmmaterial sowie Objekte, Produktsammlungen oder ähnliches. Aber selbst wenn es kein organisiertes Archiv gibt, finden sich solche Schätze oft in Kellern, Dachböden oder privaten Sammlungen.

Wie geht man mit weniger positiven Ereignissen um?
Stader: Die Frage ist hier, wie man Geschichte betrachtet. Eine reine Erfolgsgeschichte gibt es nicht. Alle Firmen durchlaufen auch schwierige Phasen, und das Interessante ist doch gerade, wie sie damit umgegangen sind. Wenn ich das nicht thematisiere und analysiere, dann gibt es auch kein Learning. Ich mag hier den Begriff „Resilienz“, denn gerade das zeigt die Geschichte eines Unternehmens: Wie konnte es gelingen, über Kriege und Krisen hinweg zu bestehen? Meine Erfahrung ist auch, dass bei Firmen und Institutionen eher ein Trend zu einem ehrlichen und offenen Umgang zur eigenen Geschichte zu beobachten ist, insbesondere was den Nationalsozialismus anbelangt. Zu einer modernen Unternehmenskultur gehört ein verantwortungsvoller und transparenter Umgang mit der Vergangenheit.

Die Fragen stellte Stefanie Ball.