„Der Standort Mannheim ist gut aufgestellt“

Till Oberwörder, CEO Daimler Buses, sieht große Chancen für E-Stadtbusse. Foto: Christian Blüthner

Die Corona-Pandemie hat der Bus-Branche einen massiven Umsatzknick beschert. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation und die nähere Zukunft?
Till Oberwörder: Glücklicherweise können wir diese schwere Zeit nun abhaken. Die Krise ist vorbei. Wir sind zurück, ebenso wie unser Geschäft. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir nun die „Dekade des Busses“ erleben werden. Wir können die Welt mit CO₂-neutralen Bussen nachhaltiger gestalten und damit einen wichtigen Beitrag leisten, den Klimawandel einzudämmen.

Blickt man auf die Absatzentwicklung von E-Autos, fragt man sich allerdings, woher Sie diesen Optimismus nehmen?
Oberwörder: Die Europäische Kommission hat 2024 entschieden, dass ab 2030 mindestens 90 Prozent aller Stadtbus-Neuanschaffungen eines Flottenbetreibers aus CO₂-neutralen Fahrzeugen bestehen müssen. Das Segment der Überland- und Reisebusse, die wir in Neu-Ulm produzieren, soll ab 2030 45 Prozent weniger CO₂ ausstoßen. Hier sehen wir einen sehr interessanten Markt, der viele Chancen bietet. Und die wollen wir nutzen.

Ab dem Jahr 2028 wird der Karosseriebau aus Mannheim komplett an den tschechischen Standort Holýšov ausgelagert. Wie sehen Sie die Zukunft des Mannheimer Standorts?
Oberwörder: Gemeinsam mit dem Betriebsrat haben wir 2023 ein klares Zukunftsbild für unsere deutschen Produktionsstandorte in Mannheim und Neu-Ulm vereinbart. Dabei hat der Standort Mannheim als „Kompetenzzentrum für E-Stadtbusse“ eine sehr wichtige Funktion und eine langfristige Perspektive. Wir sind und bleiben der einzige Hersteller, der in Deutschland Busse fertigt. Die 650 betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Rohbau erhalten die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren und auf Stellen in anderen Abteilungen zu wechseln. Eine Betriebsvereinbarung schließt zudem betriebsbedingte Kündigungen bis 2033 aus. Darüber hinaus arbeiten wir weiter an der Effizienz und Wirtschaftlichkeit von Daimler Buses. Zukünftig sollen sich beispielsweise unsere Elektrobusse verstärkt den E-Antriebsstrang, Komponenten und Technologien – wo immer möglich – mit den elektrisch angetriebenen Lkw des Konzerns teilen.

Für den öffentlichen Nahverkehr bedeutet die Elektrifizierung seiner Flotten ja nicht nur eine finanzielle Herausforderung, sondern auch eine große Umstellung bei der Wartung und Betreuung …
Oberwörder: Hier kommt unsere neue Tochtergesellschaft Daimler Buses Solutions ins Spiel, die ihren Teil dazu beitragen soll, die Absatzzahlen der E-Busse zu steigern. Unsere Tochter ist spezialisiert auf die Konzeption und den Aufbau von E-Infrastruktur. Wir können unseren Kunden bei Bedarf – gemeinsam mit weiteren Partnern – eine schlüsselfertige E-Infrastruktur für Betriebshöfe anbieten. Neben einem dichten Werkstattnetz, das eine schnelle Instandsetzung von Unfall- oder Pannenfahrzeugen gewährleistet, bieten wir unseren Kunden somit ein Komplettpaket, das weit über das reine Fahrzeug hinausgeht.

Rhein-Neckar-Verkehr steigt auf umweltfreundliche Antriebe um

Das Ziel ist gar nicht mehr so weit entfernt. Bis zum Jahr 2032 will die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv) zu 100 Prozent emissionsfrei auf den Straßen der Metropolregion Rhein-Neckar unterwegs sein und setzt dabei auf die Modelle von Daimler Buses. Aktuell umfasst die Flotte von eCitaro-Bussen vom Waldhof 30 Fahrzeuge: Acht davon werden in Mannheim eingesetzt. Eine weitere Tranche soll am Ende des Jahrzehnts angeschafft werden und dann die restlichen Busse mit Dieselantrieb ersetzen. „Die Fahrgäste sind mit den neuen Fahrzeugen zufrieden“, weiß Martin in der Beek, technischer Geschäftsführer. „Sie punkten mit einem Wegfall des Motorenlärms und störender Vibrationen.“

Am 23. Oktober 2023 überreichte Till Oberwörder (CEO Daimler Buses) die Schlüssel der drei Premierenfahrzeuge des eCitaro fuel cell im Beisein von Dr. Andre Baumann (Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg) an Prof. Dr. Eckart Würzner (Oberbürgermeister Heidelberg) und Martin in der Beek (technischer Geschäftsführer Rhein-Neckar-Verkehr GmbH) (v.l.). Mit vor Ort war auch Falk Schulte-Wintrop von H2 Mobility Deutschland.
Foto: Daimler Truck

Nahezu alle Fahrzeuge sind im Regelverkehr im Einsatz und müssen nicht zum Zwischenladen tagsüber ins Depot. Auch auf den eCitaro fuel cell, das neueste Modell von Daimler Buses, fährt die rnv ab. 48 Fahrzeuge hat man geordert, 40 davon für Mannheim,  und wird dafür rund 40 Millionen Euro investieren. Drei fahren bereits im Regelbetrieb. Die übrigen sollen bis Ende 2025 den Fuhrpark ergänzen. „Die Brennstoffzellenbusse bekommen durch den Wasserstoff, den die Brennstoffzellen in Strom umwandeln und die Hochvoltbatterien unterwegs nachladen, zusätzliche Antriebskraft“, erklärt in der Beek. „Deshalb sind diese Fahrzeuge besonders für anspruchsvolle Strecken mit großen Steigungen geeignet. Aus diesem Grund setzen wir bei der E-Mobilität ganz bewusst auf zwei Technologien – E-Busse mit einfacher Batterie sowie E-Busse mit Wasserstoffbrennstoffzelle.“ uc

 

Batterietechnologie für E-Lkw aus Mannheim

Zukünftige E-Lkw sollen von den Ergebnissen der Forschung aus Mannheim profitieren.

Es ist ein wichtiger Zukunftsbaustein für das Mercedes-Benz Werk Mannheim: das Battery Technology Center, das am 19. Juli 2024 rund ein Jahr nach dem Richtfest feierlich eröffnet wurde. „Im BTC beschäftigen sich unsere Spezialisten damit, Know-how für die Herstellung von Batteriezellen für unsere elektrischen Lkw aufzubauen und Montagekonzepte und -Systeme zu entwickeln“, so Andreas Moch, Standortverantwortlicher des Werks. Vor diesem Hintergrund teilt sich das BTC im Gebäude 18 aus dem Jahr 1952 in zwei Bereiche. Im Bereich „Zelle“ wird Produkt- und Prozesswissen bezüglich der Herstellung von Batteriezellen gewonnen. Die anschließende industrielle Fertigung soll jedoch letztendlich von einem externen Lieferanten übernommen werden, dem man durch das erworbene Wissen auf Augenhöhe begegnen kann. Auf der Pilotlinie für die Batteriepaket-Fertigung werden Erfahrungen in der Batteriepaket-Montage gesammelt. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts soll dann die Serienfertigung in Mannheim aufgenommen werden. Die Höhe der Investitionen beläuft sich auf 130 Millionen Euro. 

Im Battery Technology Center wird am Thema Elektromobilität für E-Lkw geforscht. Die Ergebnisse sollen später auch bei Daimler Buses genutzt werden.

„Wir haben entschieden, die Montage der zukünftigen Batteriegeneration selbst zu übernehmen und somit wichtige Wertschöpfungen im Haus zu behalten. In und für Europa werden wir das im Mercedes-Benz Werk Mannheim tun und stärken damit weiter das Zukunftsbild des Standorts“, so Andreas Gorbach, Vorstandsmitglied Daimler Truck.

Noch bis 2020 wurde die Halle 18 für die Zerspanung von Zylinderkurbelgehäusen und Schwungrädern genutzt. Nun wurde die 7.500 Quadratmeter große Halle durch einen Anbau um gut 3.000 Quadratmeter ergänzt und mit 60 Anlagen ausgestattet. Insgesamt sind rund 100 Beschäftigte im BTC tätig. Mit seinem Fokus auf Batterietechnologie und Hochvoltsystemen ist der Standort Mannheim Teil eines Produktions- und Technologieverbunds für Antriebskomponenten und Batteriesysteme von Daimler Truck. In einem Dreiklang ergänzt wird die Arbeit des Standorts Mannheim durch das Werk in Gaggenau, das zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebskomponenten sowie die Montage wasserstoffbasierter Brennstoffzellenaggregate ausgebaut wird, und Kassel, das sich zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebssysteme entwickeln soll.

Die elektrischen Lkw von Mercedes-Benz werden in Wörth gebaut. Seit November 2024 läuft dort auch der eActros 600 vom Band. Er fährt mit einer Reichweite von 500 Kilometern ohne Nachladen. uc

Bei der Eröffnung des Battery Technology Centers waren auch Daimler-Truck-Vorstandsmitglied Andreas Gorbach (2.v.l.), Andreas Moch, Standortverantwortlicher des Mercedes-Benz Werks (7.v.l.) und Oberbürgermeister Christian Specht (r.) mit dabei. Fotos: Andreas Henn/Daimler Truck