„Der Fachkräftemangel steht bei mir ganz oben auf der Agenda“

Hat das Amt des Wirtschaftsbürgermeisters in Mannheim übernommen: Thorsten Riehle Foto: Stadt Mannheim

Seit dem 1. März 2024 ist Thorsten Riehle Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur der Stadt Mannheim. „Mannheim – Stadt im Quadrat“ sprach mit ihm über seine Pläne.

Das Amt des Oberbürgermeisters in Mannheim haben Sie knapp verfehlt. Nun sind Sie seit dem 1. März 2024 Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur. Was war Ihre Motivation, sich für diese Position zu bewerben?
Thorsten Riehle: Mannheim ist eine Stadt mit großem Potenzial und vielfältigen Möglichkeiten. Täglich begegne ich Menschen, denen diese Stadt am Herzen liegt, die Verantwortung tragen und unternehmerischen Mut zeigen. Es reizt mich sehr, mich gemeinsam mit ihnen tatkräftig und engagiert dafür einzusetzen, dieses Potenzial und diese Möglichkeiten auszuschöpfen und zu gestalten. Als langjähriger geschäftsführender Gesellschafter des Kulturzentrums Capitol habe ich mir nicht nur eine vielfältige Expertise im Bereich Kultur erarbeitet, sondern ich war auch Unternehmer mit rund 100 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von deutlich über drei Millionen Euro. Darüber hinaus war ich als Veranstalter und Produzent in der Region tätig. Auch diese Erfahrung als Unternehmer war für mich eine wichtige Motivation, mich für diese Position zu bewerben.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Christian Specht, einem CDU-Mann, an der Spitze der Stadt – in Mannheim, wo eine SPD-Führung schon so selbstverständlich dazuzugehören schien wie der Wasserturm?
Riehle: Wirtschaftsbürgermeister von Mannheim zu sein, ist kein SPD-Amt. Das Thema Wahlkampf habe ich schon lange abgehakt. Die Zusammenarbeit mit Christian Specht ist gut und sachorientiert. Denn es geht uns beiden darum, die Stadt weiterzuentwickeln.

Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Sie aktuell als Wirtschaftsbürgermeister? Welches sind die Top-Themen, die Ihnen am meisten unter den Nägeln brennen?
Riehle: Aufgrund der aktuellen Situation ist das Thema ökologische Transformation und Klimaresilienz etwas in den Hintergrund gerückt. Es muss jedoch weiter an Fahrt aufnehmen, denn wir müssen die ökologische Wende schaffen, um unser großes Ziel zu erreichen, in der ganzen Stadt 2030 klimaneutral zu sein. Sehr erfolgreich sind wir mit der Initiative „Industriestandort Mannheim“. Unter Federführung der Wirtschaftsförderung wollen wir gemeinsam mit den zwölf beschäftigungsstärksten Unternehmen am Standort im Rahmen von Verbundprojekten die klimaneutrale Transformation von Produktion und Wertschöpfung voranbringen und mitgestalten. Ein großes Problem ist der Fachkräftemangel, der uns als Stadtverwaltung ebenfalls massiv betrifft. Derzeit können wir 600 offene Stellen nicht besetzen, zum Beispiel in den Bereichen Ingenieurwesen und Architektur. Aber auch Erzieherinnen und Erzieher fehlen uns sehr. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn wir die Betreuung der Kinder nicht gewährleisten können, werden Eltern nicht auf ihre Arbeitsplätze zurückkehren. Deshalb unterstütze ich sehr die Initiative von Bildungsdezernent Dirk Grunert, beispielsweise mit der Hilfe von Kultureinrichtungen bei der Betreuung von Kindern weiterzukommen. Ich bin außerdem im Gespräch mit Unternehmen, um diese zu motivieren, eigene Initiativen beispielsweise durch die Organisation von Tagesbetreuungsplätzen zu ergreifen. Sehr am Herzen liegen mir auch die Handwerksbetriebe, denn ich bin überzeugt, dass sie wichtig für den Erhalt gesellschaftlicher Strukturen in den Stadtteilen sind.

Wie wollen Sie denn dem Handwerk helfen?
Riehle: Gerade dem Handwerk fehlen Mitarbeitende. Deshalb würde ich sehr gerne Geflüchteten die Möglichkeit geben, sich handwerklich zu betätigen. Wir sprechen mit der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald, um solche Kontakte aufzubauen und geeigneten Geflüchteten ganz niedrigschwellig und unkompliziert Praktika zu vermitteln.

Als Kulturbürgermeister gehört auch die Sanierung des Nationaltheaters Mannheim zu Ihrem Verantwortungsbereich …
Riehle: Der Gemeinderat hat beschlossen, die Spielstätte am Goetheplatz zu sanieren. Ich hätte mir durchaus auch andere Alternativen vorstellen können. Nun ist die Sanierung schon weit fortgeschritten. Es ist geplant, das Nationaltheater zu seiner 250. Spielzeit 2028/29 wieder zu eröffnen. Bei einem Projekt dieser enormen Dimension kann es immer unvorhersehbare Unwägbarkeiten geben. Auch globale Entwicklungen lassen sich nicht prognostizieren. Allerdings liegt die Kostenentwicklung der Generalsanierung seit dem Maßnahmenbeschluss 2020 unter der Entwicklung des Baupreisindex für den gleichen Zeitraum. Das ist ein großer Erfolg. Am 12. Oktober 2024 hat nun auch die Interimsspielstätte „OPAL – die Oper am Luisenpark“ in der Mannheimer Oststadt ihre Pforten geöffnet. Diesen Bau wollen wir, wenn die Sanierung des Nationaltheaters beendet ist, in eine andere Stadt verkaufen und somit Erlöse erzielen. Da die meisten Theater, die nach dem Krieg errichtet wurden, aus den 1960er-Jahren stammen, stehen viele Städte vor dem Problem, ihre Häuser sanieren zu müssen. Deshalb gibt es durchaus Interesse, ein solches „Ersatztheater“ zu übernehmen.

Im April 2024 stellte Wirtschaftsbürgermeister Thorsten Riehle gemeinsam mit Christiane Ram, Leiterin der Mannheimer Wirtschaftsförderung, den Jahresbericht 2023 des Fachbereichs für Wirtschafts- und Strukturförderung vor.
Foto: Stadt Mannheim

Auf welche Netzwerke können Sie in Zusammenarbeit mit der Mannheimer Wirtschaft setzen und welche Netzwerke möchten Sie ausbauen?
Riehle: Die Zusammenarbeit mit der Mannheimer Wirtschaft funktioniert gut, zumal ich seit über zehn Jahren zweiter Vorsitzender der Mannheimer Runde bin, die die Zusammenarbeit zwischen Mittelstand und Kommune fördert. Ich führe regelmäßig Gespräche und freue mich, dass die Unternehmen offen auf mich zukommen.

Wie würden Sie die finanzielle Situation in Mannheim beschreiben?
Riehle: Sie ist sehr angespannt, bietet aber durchaus Spielräume, wobei ich die Prioritäten vor allem in der Bildung und in der Gestaltung eines guten Zusammenlebens in der Stadt sehe. Denn unsere Unternehmen am Standort haben eine konstant hohe Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Gleichzeitig wird ein Großteil der heute Erwerbstätigen aufgrund des demografischen Wandels in wenigen Jahren nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass es gelingt, so viele Ausbildungsplätze wie möglich zu besetzen. Das kann nur über gute Bildung funktionieren – einem gelingenden Übergang von Schule zu Beruf, Vermeidung von Schulabbrüchen sowie über eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und der Teilhabechancen von jungen Menschen, die es nicht ganz aus eigener Kraft schaffen.

Die Fragen stellten Ulla Cramer und Sabine Rößing.

Zur Person

Thorsten Riehle wurde am 16. April 1970 in Mannheim geboren und wuchs in Ladenburg auf. Sein Abitur machte er 1989 am Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium in Mannheim. Von 1991 bis 1993 studierte er Politologie, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaften an der Universität Mannheim. Von 1993 bis 1994 absolvierte er ein zweijähriges Volontariat bei der Schwetzinger Tageszeitung und schloss eine Ausbildung zum Tageszeitungsredakteur ab. Danach war er als Pressesprecher und Produzent des Musicals „Human Pacific“ in Mannheim und Hockenheim aktiv und organisierte erste Veranstaltungen im Capitol Mannheim, wo er 1998 die Capitol Betriebs GmbH gründete. Als Geschäftsführer dieses Unternehmens baute er das Capitol zu dem führenden Live- und Eventhaus in der Metropolregion Rhein-Neckar aus. Seit 1993 ist er Mitglied der SPD und wurde 2014 in den Gemeinderat gewählt. Im Jahr 2020 wurde er Vorsitzender der SPD-Fraktion im Gemeinderat Mannheim und kandidierte 2023 für das Amt des Oberbürgermeisters. Die Wahl verlor er knapp. Seit dem 1. März 2024 ist er Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur und folgte auf Michael Grötsch, der Ende Februar 2024 nach 16 Jahren in diesem Amt in den Ruhestand ging.