Mannheimer Existenzgründungspreis 2023

And the winners are …

Die Spannung war am 28. November 2022 auf dem Mannheimer Wirtschaftsforum im Cinemaxx fast mit Händen zu greifen, als die Gewinner des Mannheimer Existenzgründungspreises (MEXI) bekanntgegeben wurden. Auf dem Siegertreppchen landeten die Start-ups myScribe (Kategorie Technologie), L&A Video Consulting (Kategorie Dienstleistungen) und Green Vision Solutions (Kategorie Social Economy).

VON DR. GABRIELE KOCH-WEITHOFER

Nutzen die Playerdash.app: Torhüterin Julia Sonntag (l.) und Stürmerin Hannah Gablać von der Deutschen Damen-Hockey-Nationalmannschaft. FOTOS: L& VIDEO CONSULTING

L&A VIDEO CONSULTING: Die Playerdash.app – Tool für den Team-Erfolg

Lukas Fieber

Was ist gut, was weniger gut gelaufen? Woran müssen wir arbeiten? Videos über Spiel-Highlights, Statistiken über gewonnene Zweikämpfe, die Taktik für die nächste Begegnung inklusive Gegner-Studium, dazu Organisatorisches, Ernährungspläne, Trainingsabläufe: Sporttrainer und Spieler haben vieles zu besprechen und abzustimmen. Jetzt haben sie dafür ein wertvolles Hilfsmittel: die Playerdash.app.

„Das ist ein cloudbasierter Medien-Hub für Sportmannschaften“, bringt es Lukas Fieber, Geschäftsführer der L&A Video Consulting GmbH auf den Punkt. Zusammen mit Co-Gesellschafter Aditya Pasarakonda hat er die App erfunden. „Wie ein Autofahrer auf dem Armaturenbrett (engl. Dashboard) die wichtigsten Fahrzeugfunktionen im Blick hat, haben Trainer und Spieler von Mannschaftssportarten ihre ganz persönlichen Trainingspläne, Analysen und Vorbereitungen damit jederzeit und überall genau im Blick“, erläutert er. In der Welt des Mannschaftssports kennen sich die beiden Gründer aus. Seit 2015 haben sie sehr erfolgreich als Hockeytrainer mit den deutschen Nationalmannschaften von Damen und Herren gearbeitet, sind zudem international als Berater und Referenten u. a. an der Sporthochschule in Köln aktiv. Mindestens genauso lang beschäftigt sie das Thema, wie man Trainern und Spielern relevante Inhalte übersichtlich und schnell zugänglich macht.

„Nach jahrelanger erfolgloser Suche haben wir uns entschieden, das Problem selbst zu lösen“, erzählt Gründer Fieber. Viele Brainstorming-Einheiten haben die beiden Trainer und Tüftler im „Kleinen Café“ in der Neckarstadt-Ost in Mannheim verbracht. Und dann kam Corona. Der Lockdown hat die Idee letztlich beflügelt. „Wir konnten uns ganz auf das Projekt konzentrieren.“ Im Herbst 2020 wurde ein Prototyp programmiert. Nach Testläufen bei der Deutschen Damen-Hockey-Nationalmannschaft nahm die Geschäftsidee 2021 Fahrt auf.

Aditya Pasarakonda

Kunden des vor einem Jahr gegründeten Start-ups sind Sportmannschaften und -verbände, u. a. der Deutsche Hockey-Bund, die Zugangsrechte für eine geschützte Teamumgebung erwerben. In der Regel umfasst dies 35 Zugänge. Zugriffsrechte lassen sich je nach konkretem Bedarf so festlegen, dass jeder Anwender genau die Rechte bekommt, die für ihn wichtig sind.

Der Clou: Trainer können das Team-Dashboard komplett individuell gestalten. Im Upload-Menü können die Elemente dann mit den unterschiedlichsten Inhalten verlinkt werden. Damit lässt sich das zum Patent angemeldete Produkt problemlos auch von anderen Sportarten wie Fußball oder Eishockey nutzen. „Wir sind mit der Playerdash.app international unterwegs. In den USA zählen schon Top 10-Teams aus der renommierten 1. College-Liga sowie die Herren-Nationalmannschaft im Feldhockey zu unseren Anwendern“, freut sich Fieber.

GREEN VISION SOLUTIONS: CO2 -Fußabdruck für reportingpflichtige Unternehmen

Eine echt grüne Vision bewegte Wirtschaftsingenieur Jan Karcher und Wirtschaftsinformatiker Jan Oliver Bleil. Ihre Idee: die Treibhausgasemissionen von Firmen und Produkten gemäß der erweiterten gesetzlichen Vorgaben zu berechnen. Solche Auskünfte müssen Unternehmen in Europa ab 2025 nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlichen, wenn sie mehr als 250 Mitarbeitende beschäftigen, über 40 Millionen Euro Umsatz machen oder die 20-Millionen-Euro-Grenze bei der Bilanzsumme überschreiten.

Jan Karcher erklärt am Bildschirm die Systematik bei der Erfassung des CO2 -Fußabdrucks eines Unternehmens. FOTO: GREEN VISION SOLUTIONS

Das betrifft europaweit gut 50.000 Unternehmen, davon allein in Deutschland 15.000. Bei Nichteinhaltung drohen hohe Strafen. Das beflügelt die Nachfrage nach den Leistungen des Start-ups: Seit der Gründung 2021 wurden bereits über 350.000 Tonnen an schädlichen Emissionen erfasst, nach Ursprung aufgeschlüsselt, erklärt und visualisiert. Über 500.000 Euro Umsatz hat das mittlerweile elfköpfige interdisziplinäre Team schon erwirtschaftet.

Unternehmen können, unterstützt durch die Experten von Green Vision Solutions, ihre Daten in Eingabemasken eintragen und dabei die Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilen. „So kann etwa die Technik den Stromverbrauch und die Verwaltung die relevanten Daten zum Fuhrpark eingeben“, erläutert Karcher. „Wir passen die Masken an die Situation im jeweiligen Unternehmen an und unterstützen mit Tipps und Service“. Dazu gehört auch, die tatsächlichen Emissionsfaktoren zu recherchieren und mit den Durchschnittswerten im System abzugleichen. Die Zahlen, anschaulich in einem Dashboard aufbereitet, können Kunden in ihrem Online-Account abrufen. Auf dieser Basis wird darüber hinaus ein Zertifikat erstellt. Es ist bares Geld wert, weiß Karcher, da zum Beispiel viele Banken günstige Kreditkonditionen mit solchen Zertifikaten verbinden.

Viele große und bekannte Unternehmen aus ganz Deutschland zählt die Gesellschaft bereits zu ihren Kunden. Vor Ort in Mannheim betreut das Team unter anderem die Modehaus-Gruppe engelhorn und das Studierendenwerk. Beide haben in Kooperation mit Green Vision Solutions Hotspots für Emissionen identifiziert und reduziert. „Wir helfen Kunden, ihr Klimaschutzbudget maximal wirkungsvoll einzusetzen. Darauf sind wir stolz“, so Karcher. Der Mannheimer Existenzgründungspreis 2023 ist bereits die zweite Auszeichnung, über die sich das Unternehmen freuen kann. Im Juli 2022 wurde das Team mit dem Gründerpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet.

MYSCRIBE: Software vereinfacht Dokumentation im Klinikalltag

Im Living Lab der Universitätsmedizin Mannheim testet myScribe ihre Software. FOTO: UMM/PORTRAITFOTOS: MYSCRIBE

Im Fernsehen ist der Klinikalltag noch in Ordnung. Dort kümmern sich Dr. Heilmann & Co. mit viel Zeit um die Patientinnen und Patienten, können sogar ein Päuschen machen. Die Wirklichkeit sieht leider vollkommen anders aus: Mehrere Stunden täglich müssen Klinikärztinnen und Klinikärzte für Dokumentation aufwenden, so die Standesvertretung „Marburger Bund“. Um genau zu sein, sind es 44 Prozent der Arbeitszeit, die auf das Schreiben von Arztbriefen und Visitenlisten sowie das Aktualisieren der Patientenakten entfallen. Alles muss genauestens erfasst sein.

Lars Ewert
Dr. Ira Stoll
Christoph Blattgerste

„Mehr als die Hälfte dieser Schreibzeit lässt sich mit unserer Software einsparen“, so das Gründerteam von myScribe, einer webbasierten Applikation, die für Klinikärztinnen und Klinikärzte im stationären Krankenhausbetrieb über 50 Prozent der Dokumentationszeit einsparen wird. Bereits 2020 hatte die Ärztin Dr. Ira Stoll die Idee für die Software. Lars Ewert, Full-Stack Web Developer, realisierte das Projekt, welches 2022 durch Christoph Blattgerste, Master of Physics, mit der Aufgabe zur Einbindung von Künstlicher Intelligenz (KI) komplettiert wurde. MyScribe ist Teil des EXIST-Förderprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, mit dem Forschungsergebnisse aus den Universitäten in die Wirtschaft gebracht werden, und steht in den Startlöchern zur Firmengründung. Gerade ist das Trio dabei, die Software im Praxiseinsatz am Living Lab der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) zu erproben.

Die Vorteile ihrer Innovation liegen auf der Hand: Die Anwendung ist webbasiert und kann innerhalb des Krankenhaus-Intranets von überall aufgerufen werden, sodass alle wichtigen Patientendaten auf einen Blick für jede Anwenderin und jeden Anwender ersichtlich sind. Mit einem Klick kann wiederum aus diesen Daten ein Arztbrief erstellt werden.

Das hierbei größte Alleinstellungsmerkmal zeigt sich in der Fließtexterstellung aus stichpunktartigen Patientenverlaufsdaten, die erstmals auf einem mobilen Endgerät dokumentiert werden können. Die Anwendung ermöglicht die intuitive Dateneingabe von ICD- und OPS-Kodierungen, die unter anderem für die Abrechnung mit Krankenkassen und für eine strukturierte Speicherung der Daten auf dem krankenhausinternen Server gebraucht werden.

Dies erleichtert und verkürzt die Einarbeitung neuer Ärztinnen und Ärzte. All dies schaffe mehr Zeit für die Behandlung von Patientinnen und Patienten und verbessere die Work-Life-Balance des chronisch überlasteten, weil unterbesetzten Klinikpersonals, wissen die Unternehmensgründer. Dadurch steuere myScribe maßgeblich dem Fachkräftemangel entgegen und mache durch Entlastung bei der Dokumentation den Arztberuf attraktiv.

Zitat:
„Wir sind stolz, mit dem MEXI in Mannheim einen der am höchsten dotierten Preise für Start-ups zu verleihen.“

Michael Grötsch, Mannheimer Wirtschaftsbürgermeister