Innovation durch Inklusion

Claire Common entwirft Mode für Menschen mit Einschränkungen.
Foto: Claire Common

Ein Unternehmen gründen, um die Welt ein klein wenig besser zu machen? Hört sich abstrakt an. Für Claire Common ist dieses Vorhaben Ansporn und Geschäftsgrundlage zugleich.

Von Gabriele Booth

Die im Jahr 1995 geborene Mannheimerin verbindet mit dem 2022 gegründeten Start-up, das ihren Namen trägt, unternehmerische Energie und sozialpolitische Ziele. Mit ihrem Modelabel „Claire Common“ erschließt sie sich auf ihre eigene pragmatische Art den Bereich der Inklusion in unserer Gesellschaft. Kurzum: Die dynamische Designerin macht Mode für Menschen, die aufgrund einer Behinderung gehandicapt sind, die in ihrer Mobilität und ihrem Alltag eingeschränkt sind, weil sie im Rollstuhl sitzen, sehbehindert oder gehörlos sind. Nach dem Motto „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert“ ist Claire Common auf der Suche nach praktischen Lösungen, die sich in Kleidungsideen umsetzen lassen, die funktional und trotzdem chic sind. Mode, die Selbstständigkeit fördert, ist ihr Ding.

Eigentlich hat Claire Common Politik und Geschichte studiert, das war ihr aber zu „trocken“. Ihre kreative Modeleidenschaft hat sich durchgesetzt. Unterstützung erfuhr die heute in Mannheim-Seckenheim lebende Claire Common vom Social Economy Cluster der Mannheimer Wirtschaftsförderung. Dieses unterstützt die gemeinwohlorientierte Wirtschaft. Ausgezeichnet wurde Claire Common 2022 von „Ideenstark“ Baden-Württemberg – und 2024 mit mit dem Mannheimer Existenzgründungspreis. Im Mannheimer Quartier Q 6 Q 7 ist sie in einem Pop-up-Store präsent. Hier stellt die Designerin, die an der Pforzheimer Hochschule für Mode studiert hat, ihre Modelle aus. Hier berät sie auch, misst ab, passt an, ist ansprechbar für alle Fragen rund um Inklusion. Claire Common führt über das Medium Mode zwei Welten zusammen: Sie entwirft und entwickelt Kleidung für Menschen mit und ohne Handicap. Und sie setzt ihren sozialpolitischen Ansatz um, die Welt für die Probleme mobilitätseingeschränkter Menschen zu sensibilisieren. „Meine Mode kann auch von Personen getragen werden, die nicht körperlich eingeschränkt sind“, sagt sie und zeigt auf ihre praktischen Hoodies, Hosen, T-Shirts oder Kleider. Auf den ersten Blick fällt das gar nicht auf, aber da sind auf dem Kleid große Taschen aufgenäht.  Gut erreichbar auch für jemanden, der beispielsweise nicht aufstehen kann. „Da kann man ein Handy, Hausschlüssel, persönliche Dinge hineinstecken.“  Für Rollstuhlfahrer eine große Hilfe. Das macht unabhängig von anderen und ist viel praktischer, als etwas im Rucksack hinter dem Rücken zu verstauen.

Weit geschnittene Raglanärmel, T-Shirts, die vorne kürzer als hinten sind („damit die Nieren warm gehalten werden“), dehnbare Stoffe, die die Bewegung mitmachen – all das wird bei der Kreation und beim Schnitt bedacht. Auf den T-Shirts befindet sich Braille-Blindenschrift, auf der Vorder- oder Rückseite, denn die Oberteile sind beidseitig tragbar. Die Blazer sind lässig und für viele Gelegenheiten geeignet.

Die Unternehmerin Claire kann selbst schneidern, tut dies zeitweise auch, aber das Gros der Kleidungsstücke entsteht in der Werkstatt „Blauherz“ in Weinheim und in der Textilerei in Mannheim. In der inklusiven Nähmanufaktur werden die T-Shirts, Sweatshirts oder Blusen gefertigt. Bei der Auswahl der Stoffe wird auf die Herkunft aus der Region und aus Deutschland geachtet. Wenn möglich, wird recycelt. Die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit in Mannheim-Neckarstadt hat viele Vorschläge zur Praktikabilität eingebracht.

Es geht darum, dass wir Menschen mit Behinderung wahrnehmen, ernst nehmen, von ihnen lernen, sie aktiv einbinden, als Experten sehen.

Modedesignerin Claire Common
Foto: Claire Common

„Ich mache alles, vom Design des Prototyps bis zum fertigen Modell. Vom ersten Telefonat, von der Anprobe bis zur Maßanfertigung“, so Claire Common. Zudem steht sie selbst im Laden. Bisher waren die Kleidungsstücke vornehmlich in Schwarz, Weiß und Grau gehalten, alles gut zu kombinieren. Die neue Kollektion beinhaltet auch Blautöne und buntere Farben. Immer gilt: Die Stücke sind unisex, tragbar für alle. Derzeit sind es hauptsächlich Frauen, die die funktionale und moderne Mode schätzen. Das muss nicht so bleiben, denkt die Designerin weiter.  „Wer gut und komfortabel gekleidet ist, fühlt sich wohl, tritt selbstbewusst auf“, beschreibt Claire Common die Bedeutung gepflegter Kleidungsstücke. In der kurzen Zeit seit Unternehmensstart – 2023 kam die erste Kollektion auf den Markt – hat sie bereits einen Stamm von rund fünfzig Kunden aufgebaut.

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Bisher sind die Modelle weitgehend in Schwarz, Weiß und Grau gehalten, das soll sich jedoch bald ändern.
Foto: Claire Common

Das Social Economy Cluster unterstützt die Branche

Marktwirtschaft und sozialer Mehrwert sind keine Gegensätze – das zeigt die wachsende Zahl gemeinwohlorientierter Unternehmen, zu denen sich immer mehr Start-ups zählen. Sie vereinen marktwirtschaftliches Handeln, unternehmerisches Denken und soziale Ziele miteinander. Seit 2018 arbeitet der Fachbereich Wirtschafts- und Strukturförderung aktiv an der Vernetzung und Ansprache von Akteuren aus diesem Bereich – seit 2022 in Form eines Clusters.

Im Jahr 2021 organisierte die Wirtschaftsförderung gemeinsam mit der EU-Kommission den digitalen European Social Economy Summit – mit über 4.000 Teilnehmenden der bislang weltweit größte Kongress zur Sozialwirtschaft. Inzwischen hat das Social Economy Cluster ein lokales Netzwerk von Stakeholdern aufgebaut. Zu den regelmäßigen Treffen kommen neben den Vertretern von Unternehmen auch Besucherinnen und Besucher aus der Wissenschaft, der Sozialverwaltung und den Wohlfahrtsverbänden. Mehrere Veranstaltungsformate wie das Social Impact Weekend, die Social Innovation Bar, das Open Social Innovation Forum und der Breakfast Club Social Entrepreneurship bringen die Branche zusammen und sind außerdem eine Plattform für die Vermittlung von Informationen über Fördermöglichkeiten wie die kostenlose EXI-Gründungsberatung für Soziale Entrepreneure oder den Kontakt zu Investorinnen und Investoren, die sich für sozialwirtschaftliche Akteure engagieren. „Die Wirtschaftsförderung Mannheim wird europaweit und national als Best-Practice-Beispiel für die kommunale Umsetzung von Unterstützungsstrukturen für sozialwirtschaftliche Unternehmen angesehen“, so Matthias Henel, Leiter des Clusters. „Kurzfristig streben wir als erstes Social Economy Cluster in Deutschland zudem eine nationale Zertifizierung an, um den Clusterprozess weiter zu professionalisieren.“ uc