Roche

Standort Mannheim feiert 150. Geburtstag

Seit 150 Jahren entstehen in der Quadratestadt Innovationen für die Gesundheit von Menschen weltweit – 25 davon unter dem Dach von Roche.

VON ULLA CRAMER

In Mannheim sind beide Divisionen der Roche-Gruppe aktiv. Der Standort ist vor allem für seine Technologiekompetenz und Zuverlässigkeit bekannt. FOTOS: ROCHE

Das Jubiläum des Standorts Mannheim von Roche ist für Werkleiter Martin Haag ein Anlass zu großer Freude. Jedes Jahr fließen hohe Investitionen in das Areal und Roche ist inzwischen in Mannheim der Arbeitgeber mit den meisten Beschäftigten. Diese Entwicklung war nicht immer absehbar. Haag kann sich noch gut an das Jahr 1997 erinnern, als er gerade fünf Jahre bei Boehringer Mannheim war.

Martin Haag, Werkleiter Roche Mannheim

„Am 25. Mai 1996 hatten wir den 70. Geburtstag unseres Chefs Curt Engelhorn gefeiert. Genau ein Jahr später ließ er die Bombe platzen.“ Völlig überraschend wurde am 26. Mai 1997 der Verkauf der Boehringer Mannheim-Gruppe an den Schweizer Pharmakonzern Roche mit Sitz in Basel bekanntgegeben – mit 18,7 Milliarden DM die bis dahin größte Übernahme eines deutschen Konzerns durch eine ausländische Firma. „Boehringer Mannheim war damals einer der stärksten Player im Diagnostika-Markt und Roche, bis dahin vor allem im Bereich Pharma erfolgreich, wurde mit dieser Übernahme von Rang acht auf Rang 1 in diesem Bereich katapultiert“, blickt Haag zurück. Die führende Position konnte Roche seither ausbauen. Und Mannheim trägt bis heute wesentlich dazu bei.

Eine 125-jährige bewegte Geschichte lag damals schon hinter dem Standort, die 1872 begann. Man schrieb das Jahr 1817, als Christian Gotthold Engelmann und Christian Friedrich Boehringer in Stuttgart die „Drogen- und Materialwarenhandlung Engelmann & Boehringer“ ins Leben riefen. 1859 wurde daraus das Pharmaunternehmen C.F. Boehringer & Söhne, das Sohn Christoph Heinrich Boehringer nach der Übernahme der Leitung 1872 nach Mannheim verlegte. Sein Sohn Ernst folgte ihm 1882 nach, als die Firma nach einem Großbrand vom Jungbusch auf den Waldhof umzog. 1883 wurde Friedrich Engelhorn Teilhaber der Mannheimer Fabrik. Der Gründer der BASF schied nach Patentstreitigkeiten aus dem Ludwigshafener Unternehmen aus, um bei Boehringer einzusteigen. Als Ernst Boehringer 1892 verstarb und die Mannheimer Firma komplett in den Besitz der Familie Engelhorn überging, behielt diese den Namen C.H. Boehringer bei. Zur Unterscheidung von Boehringer Ingelheim, das von Ernsts Bruder Albert Boehringer gegründet wurde, ergänzte man die Firmenbezeichnung mit dem Namen des Standorts Mannheim.

Unter Führung von Friedrich Engelhorns Urenkel Curt Engelhorn entwickelte sich die Boehringer-Gruppe ab 1960 zu einem internationalen Konzern mit den Geschäftsfeldern Medikamente, Biochemicals und Pflegeprodukte. In Deutschland betrieb das Unternehmen in dieser Zeit drei Werke in Mannheim, Penzberg und Tutzing. Der Standort Mannheim zählte 1997, zum Zeitpunkt des Kaufangebots von Roche, rund 6.800 Beschäftigte.
„Die Überraschung war damals groß“, erinnert sich Haag. „Zahlreiche Beschäftigte demonstrierten spontan für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.“ Doch die Befürchtung, dass Roche die Belegschaft in der Quadratestadt abbauen würde, erwies sich als grundlos. Im Gegenteil: Heute ist der Standort Mannheim mit rund 8.400 Mitarbeitenden global der drittgrößte Standort des Schweizer Pharmakonzerns und der größte Arbeitgeber der Stadt.„Roche hat seither mehrere Milliarden Euro in Mannheim investiert. Unser Standort ist durch die hohe Kompetenz in der Automation vor allem auf eine großvolumige Produktion und Abfüllung spezialisiert und genießt im Konzern einen sehr guten Ruf“, so der Werkleiter. Wenn jemand eine komplexe Anlage zum Laufen bringt, dann ist es Mannheim – sei im Unternehmen ein geflügeltes Wort.

Ein Bild aus dem Familienalbum der Gründerfamilie: Christoph Heinrich Boehringer (Mitte), sein Sohn Ernst, der später das Werk auf den Waldhof verlegte (l.), und Ernsts Bruder Albert, der Gründer des gleichnamigen Ingelheimer Unternehmens (r.) FOTOS (3): WERKZEITUNG „DER BOEHRINGER KREIS“, SEPTEMBER 1972

Die Roche-Mannschaft arbeitet in Mannheim entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sie entwickelt hier Produkte für Menschen mit Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Gerinnungssysteme und Lösungen für ein effektives Diabetes-Management.
Als Produktionsstandort spielt Mannheim eine wichtige Rolle sowohl für die Diagnostik- als auch die Pharma-Sparte des Konzerns. Vor Ort werden innovative Medikamente, etwa gegen Krebs, abgefüllt und verpackt. Darüber hinaus gehören wichtige Produkte für die In-vitro-Diagnostik wie Flüssigreagenzien, Teststreifen für die Point-of-Care-Diagnostik sowie Blutzuckerteststreifen zum Portfolio, das aus dem Mannheimer Logistikzentrum in die ganze Welt geliefert wird. Ein wichtiger Erfolgsfaktor von Roche ist die enge Zusammenarbeit zwischen beiden Divisionen: Sie bildet die Basis für personalisierte Medizin, die es ermöglicht, Therapien individueller auf Patienten zuzuschneiden.

Christian Friedrich Boehringer war einer der Gründer des Unternehmens.

 

Chininsulfat war lange Zeit eines der meistverkauften Produkte bei Boehringer.

Und es tut sich ständig etwas auf dem 460.000 Quadratmeter großen Areal: Rund 106 Millionen Euro fließen derzeit in zwei Produktionsgebäude für neue Diagnostiktechnologien, die bis 2023 fertiggestellt werden sollen. Anfang 2023 wird außerdem für 50 Millionen Euro ein neues Trainings- und Schulungszentrum seine Arbeit aufnehmen. Im ersten Quartal 2022 ist zudem der Startschuss für den Bau eines Direktbelieferungzentrums für Europa mit einer Investitionssumme von 91 Millionen Euro gefallen. Besonderes Kennzeichen der neuen Gebäude: eine hohe Energieeffizienz. Roche in Mannheim hat sich zum Ziel gesetzt, am Standort bis spätestens 2050 CO2-neutral zu sein. Von 2018 bis 2022 ist es bereits gelungen, die CO2-Emissionen auf die Hälfte zu senken.

Ein weiteres Ziel für die nächsten Jahre ist es, sich stärker in die Region einzubringen und mit anderen regionalen Firmen Netzwerke zu knüpfen. „Den Dampf für den Betrieb von Heiz- und Kühlsystemen bekommen wir bereits aus der thermischen Abfallverwertung vom Heizkraftwerk der MVV auf der Friesenheimer Insel. Vielleicht können wir auch von dem geplanten H2Hub auf dem BASF-Gelände profitieren“, schaut Haag in die Zukunft. „Und: Wir arbeiten auch an Plänen, um unser Werk weiter zu öffnen. Ganz vorne an der Sandhofer Straße haben wir im letzten Jahr ein großes Bürogebäude zurückgebaut und den Blick auf die historische ‚Engelhorn-Villa‘ freigegeben. In einigen Jahren soll auf der freigewordenen Fläche ein parkähnlicher Eingangsbereich entstehen, der Roche noch mehr mit Mannheim, beziehungsweise dem Stadtteil Waldhof, verbindet. Eins ist also sicher: Für die nächsten 150 Jahre hat Roche am Standort Mannheim noch viel vor!“

Zitat:
„Der Standort Mannheim genießt im Roche-Konzern einen sehr guten Ruf.“

Martin Haag, Werkleiter Roche Mannheim