Die Perspektiven der Medizin liegen in den Genen

In einer Ultratiefkühlumgebung werden bei Roche in Mannheim neuartige Produkte der Zell- und Gentherapie für immer mehr Patienten auf der ganzen Welt zugänglich gemacht. Foto: Roche

Viele schwere Krankheiten entstehen durch Fehlfunktion oder Mutation in menschlichen Genen. Herkömmliche Therapien können hier nur begrenzt helfen. Nun setzt auch Roche auf Gentherapien.

Von Gabriele Koch-Weithofer 

Ein Medikament aus der Gentherapie-Familie hat das Unternehmen bereits im Portfolio. Elevidys heißt es und wirkt gegen die Duchenne-Muskeldystrophie, eine erbliche, schnell fortschreitende Muskelerkrankung.

Dafür kooperiert Roche mit Sarepta Therapeutics. Das US-Biotechunternehmen ist spezialisiert auf genetische Präzisionsmedikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen. Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat die neue Methode bereits zugelassen. Roche hält die Vermarktungsrechte für alle Länder außerhalb der USA. Das Werk auf dem Mannheimer Waldhof ist Drehscheibe für den Versand.

In speziellen Transportbehältern wird der neue Wirkstoff in Mannheim angeliefert, gut gekühlt mit Trockeneis und ausgestattet mit Sensoren und ausgeklügelter Technik. Position und Temperatur der sensiblen Fracht werden exakt und kontinuierlich erfasst. Vor Ort übernimmt ein Roboter, denn der Arbeitsplatz für die Weiterverarbeitung ist eher unterkühlt: Hier herrschen konstant minus 25 Grad. Das macht dem Metallkollegen allerdings nichts aus. Präzise und genau nach Plan stellt er die Chargen für die einzelnen Patienten zusammen.

Elevidys greift genau dort an, wo die Krankheit entsteht: in der Zelle. Jede Zelle enthält einen kompletten Satz an Anweisungen oder Genen. Steckt in diesem Code ein Fehler, können die Zellen nicht richtig arbeiten. Die Fehler können vererbt werden oder sich im Lauf der Zeit herausbilden. Einige erbliche Gendefekte sind besonders gravierend, führen etwa zu Hämophilie (Bluterkrankheit) oder der Huntington-Krankheit, einer degenerativen Funktionsstörung des Gehirns.

„Die Gentherapie eröffnet völlig neuartige Möglichkeiten, die Ursachen verschiedenster schwerer Erkrankungen auf der Ebene des menschlichen Erbgutes zu behandeln und künftig sogar zu heilen, indem der Patient gesundes Material erhält”, sagt Thilo Girsch, Senior-Projektleiter, der für den Bereich Zell- und Gentherapien bei Roche in Mannheim verantwortlich ist. „Eine lebenslange Aneinanderreihung von Injektionen, Infusionen, Überwachungen, Anpassungen und ständigen Arztterminen könnten so für Betroffene der Vergangenheit angehören.“

Roche arbeitet im Bereich Gentechnik noch mit weiteren US-Spezialisten zusammen, darunter mit CEVEC Pharmaceuticals, ein führender Anbieter von hochleistungsfähiger Zelltechnologie zur Herstellung von Biotherapeutika. Ein anderes Partnerunternehmen, Dyno Therapeutics, nutzt KI, um Adeno-assoziierte Virusvektoren der nächsten Generation zu entwickeln. Solche Vektoren oder „Gen-Fähren“ transportieren im Labor hergestellte DNA-Abschnitte mit korrekter (Erb-)Information genau in die Zellen, die sie reparieren sollen.

Weitere gentherapeutische Medikamente sind in der Pipeline. Im oberbayerischen Penzberg hat Roche im März 2024 ein eigenes Zentrum für Gentherapie eröffnet. Hier entwickelt das Unternehmen künftig virale Genvektoren und stellt sie im Industriemaßstab für klinische Studien her.

In der modernen Medizin ist die Gentherapie dabei, eine Revolution auszulösen.

Dr. Claudia Fleischer, Geschäftsführerin Roche Diagnostics   
Foto: Roche

Stolz nimmt Marie-Luise Stallecker, Mitinitiatorin des Programms (l.), den EqualPayAward entgegen. Foto: Roche

„DasElternPlus“-Programm fördert Partnerschaft und Fortkommen

Anfang 2024 hat Roche sein Programm „DasElternPlus“ verlängert. Schon 2021 sorgte das Unternehmen damit für Furore – und das weit über Deutschland hinaus. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als Chancengleichheit für Eltern – untereinander, aber auch mit Blick auf Kindererziehung und Karriere.

Als erster Arbeitgeber Deutschlands bietet Roche in Mannheim seither jungen Eltern eine finanzielle Förderung, wenn beide innerhalb der ersten vier Lebensjahre ihres Kindes gleichzeitig für mindestens 12 Monate „in vollzeitnaher Teilzeit“ arbeiten. Das entspricht etwa 70 bis 80 Prozent der regulären Arbeitszeit im Jahr oder 28 bis 32 Wochen-Arbeitsstunden. Das Förderprogramm greift auch, wenn nur ein Elternteil bei Roche tätig ist. 2022 gab es für diese Idee den EqualPayAward.

Denn noch immer ist Teilzeitarbeit vorwiegend weiblich. Und das, obwohl sich immer mehr Väter stärker in die Kindererziehung einbringen wollen. Oft scheitert es am Geld, weil Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer. Damit sich die Partner Erwerbs- und Sorgearbeit teilen können, zahlt Roche ihnen einmalig 10.000 bis 15.000 Euro. „Unser Programm schafft mehr Wettbewerbs- und Chancengerechtigkeit im Arbeitsumfeld und wirkt dem Thema ‘Karriere-Knick Kind’ aktiv entgegen”, so Marie-Luise Stallecker vom Bereich Reward Partner Benefits bei Roche in Deutschland und Mitinitiatorin des Projekts. „So schaffen wir eine Basis, um mit Hilfe dieser Gleichstellung weibliche Talente weiter zu fördern.”

Doch es geht nicht nur um gesellschaftliches Engagement. Auch Roche profitiert von der Unterstützung: Das Programm punktet bei potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern. Und intern ist die Aktion ein echter Selbstläufer: Statt der ursprünglich anvisierten 50 Paare nahmen in den vergangenen Jahren bereits 170 Eltern das Unternehmensangebot an, wie eine erste Bestandsaufnahme zeigte. Deshalb folgt nun auch die Fortsetzung: Das Programm soll auch die nächsten drei Jahre beim Pharma-Unternehmen in Deutschland laufen. kw