Wärme aus dem Rhein
Sie ist 18 Meter lang, rund fünf Meter hoch und arbeitet hocheffizient: Am Rheinufer der Grosskraftwerk Mannheim AG (GKM) wird die erste Flusswärmepumpe von MVV Heizwasser erzeugen. Im Jahr 2023 soll sie in Betrieb gehen.
VON ULLA CRAMER

Im April 2022 hat das Grosskraftwerk Mannheim im Auftrag des Mannheimer Energieversorgers MVV mit dem Bau einer der größten Flusswärmepumpen Europas begonnen. Diese soll künftig bis zu 20 Megawatt Leistung für das Fernwärmenetz bereitstellen und nutzt dafür sieben Megawatt elektrische Leistung. Schon jetzt profitieren mehr als zwei Drittel der Mannheimer Haushalte sowie die Nachbarstädte Heidelberg, Schwetzingen, Brühl, Ketsch und Speyer von der klimafreundlichen Fernwärme, die MVV Schritt für Schritt grün macht.

MVV-Technikvorstand. FOTO: MVV
Ab 2023 können durch den Einsatz der Flusswärmepumpe 3.500 Haushalte mit klimaneutraler Energie versorgt wer- den. Rund 10.000 Tonnen CO2 werden so jährlich eingespart. Für den Betrieb der Wärmepumpen will die MVV Grünstrom nutzen und hierzu auch die eigenen Erzeugungskapazitäten deutlich ausbauen.
„Das Potenzial ist aber durch dieses Projekt bei weitem noch nicht ausgereizt“, weiß MVV-Technikvorstand Dr. Hansjörg Roll. „Mit Neckar und Rhein hat Mannheim ein riesiges Wärmepotenzial vor der Haustür. Das technische Potenzial zur Wärmegewinnung in Mannheim liegt daher bei bis zu 500 Megawatt. Dies entspricht der maximalen Wärmeleistung des kohlebefeuerten Block 9 im GKM und reicht aus, um rund 50.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen.“ Der Einsatz der Flusswärme ist ein Teil des „Mannheimer Modells“. Mit ihm will MVV bis zum Jahr 2040 klimaneutral und danach klimapositiv werden. Bereits 2030 möchte MVV ihre Fernwärme in Mannheim und der Region vollständig auf grüne Energiequellen umgestellt haben. Derzeit stammen bis zu 30 Prozent der Fernwärme aus klimafreundlichen Energien.
Integriert wird die Flusswärmepumpe durch das GKM, das über sehr leistungsfähige Wasserentnahme- und Rückgabebauwerke verfügt. „Es ist ein großer Vorteil, dass die Wärmepumpe unsere Infrastruktur nutzen kann“, erklärt Holger Becker, Kaufmännischer Vorstand des Kraftwerks. „Die Errichtung im laufenden Betrieb und nicht auf der grünen Wiese bringt aber auch gewisse Herausforderungen mit sich.“ Es brauche das richtige Timing und viel Fingerspitzengefühl, um das Projekt ohne oder mit nur geringen Stillstandszeiten umzusetzen.
Lieferant der Flusswärmepumpe ist der Technologieanbieter Siemens Energy, der 2020 durch eine Abspaltung von der Siemens AG entstand und auf den Energiesektor spezialisiert ist. „Die Großwärmepumpe in Mannheim ist ein wichtiges Leuchtturmprojekt für uns“, so Dr. Christian Huettl, Business Owner Industrial Heat Pump Solutions, Siemens Energy. „Zwar haben wir bereits in den 1980er und 1990er Jahren vor allem in den skandinavischen Ländern leistungsstarke Wärmepumpen installiert, doch wir freuen uns natürlich, dass im Rahmen der Energiewende diese Technologie gerade eine Renaissance erlebt.“
Und so funktioniert das Ganze: Die Wärmepumpe bezieht über ein Wassereinlaufbauwerk Flusswasser, welches unterirdisch zur Anlage gepumpt wird. Diese nutzt die dem Rheinwasser über einen Wärmetauscher (Verdampfer) entzogene thermische Energie und heizt das Wasser aus dem Rücklauf des Fernwärmenetzes von 60 Grad Celsius auf bis zu 99 Grad Celsius auf. Das aufgeheizte Wasser wird dann direkt wieder ins Fernwär-menetz eingespeist oder im Fernwärmespeicher (1.500 Megawattstunden Kapazität) zwischengespeichert. Das durch die Wärmeabgabe an den Wärmetauscher um etwa zwei bis vier Grad Celsius abgekühlte Rheinwasser fließt anschließend wieder in den Fluss zurück.


„Wärmepumpen können so mit einer geringen Menge Strom deutlich mehr Wärme erzeugen, als dies mit einer einfachen, direkten Umwandlung von Strom in Wärme möglich wäre“, weiß Huettl. „Und der technologische Fortschritt sorgt dafür, dass sie immer effizienter und leistungsfähiger werden.“ Mit dem Einsatz neuartiger Kältemittel erreicht Siemens Energy heute in leistungsstarken Hochtemperatur-Wärmepumpen sogar Temperaturen von bis zu 150 Grad Celsius. Der Energiespezialist liefert dabei weit mehr als die Großwärmepumpe selbst: Siemens Energy hilft auch, die Anlagen in Betrieb zu nehmen und regelmäßig zu warten.
Das Vorhaben ist Teil des Reallabors der Energiewende „Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen – Installation, Betrieb, Monitoring und Systemeinbindung“, welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz an insgesamt fünf Standorten in Deutschland mit rund 21,3 Millionen Euro fördert. Die in den Projekten gesammelten Erfahrungen können Fachleute anschließend nutzen, um den tiefgreifenden Umbau des Energiesystems in Deutschland Richtung Klimaneutralität voranzubringen. Die weiteren Standorte sind Stuttgart, Rosenheim, Berlin-Neukölln und Berlin-Köpenick.
Zitat:
„Wir nutzen ab 2023 das Flusswasser des Rheins als klimaneutrale Wärmequelle, um Fernwärme zu erzeugen.“
Dr. Hansjörg Roll, MVV-Technikvorstand
