Der Forschungsstandort Mannheim profitiert davon, dass gleich zwei Spezialgeräte für die Altersbestimmung in der Quadratestadt vorhanden sind.
von Dr. Dieter Keller
Egal ob Mumien, Winkingerfunde oder Goldmünzen – bei Altersbestimmungen ist Mannheim spitze. Genauer gesagt das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie oder kurz CEZA. Für bis zu 50.000 Jahre alte Objekte kann es das Alter exakt angeben. Weil die Nachfrage nach Untersuchungen so groß ist, wurde jetzt in ein zweites Radiokohlenstoff-Massenspektrometer investiert. Damit ist Mannheim der einzige Ort in Deutschland, der gleich über zwei dieser zwei Millionen Euro teuren Geräte verfügt – und über die nötigen Fachleute zur Interpretation der Ergebnisse.
Ausgangspunkt war das Reiss-Museum in den Mannheimer Quadraten, das im Laufe der Jahre ein vielfältiges Angebot von internationalem Rang von der Antike über Kunst- und Kulturgeschichte bis zu Musik und Fotografie aufgebaut hat. 2001 gründete der Industrielle Curt Engelhorn (1926 – 2016) eine Stiftung zur finanziellen Unterstützung, in das er Millionen aus dem Verkauf seiner Beteiligung am Pharmakonzern Boehringer Mannheim einbrachte. Seither trägt es den Namen Reiss-Engelhorn-Museen oder kurz REM. Im Lauf der Jahre kam eine ganze Reihe weiterer Einrichtungen hinzu, darunter das CEZA als gemeinnützige Gesellschaft. Denn nicht nur das Museum hat Bedarf an wissenschaftlichen Altersbestimmungen und anderen Analysen, sondern auch viele andere Institutionen und Privatunternehmen.
Der Schlüssel zur Datierung ist Radiokohlenstoff (C14), der eine universelle und präzise Methode zur Altersbestimmung ermöglicht. Eingesetzt wird sie nicht nur in der Archäologie, sondern auch in den Geo-, Bio- oder Umweltwissenschaften sowie der Klima- und Sonnenforschung. Was das CEZA bietet, zeigen einige spektakuläre Beispiele. So unterstützte es ein internationales Forscherteam beim Nachweis, dass die Wikinger bereits im Jahr 1021 in Nordamerika aktiv wurden, also lange vor Kolumbus. Auch den in den REM-Depots 2004 „wiederentdeckten“ Mumien konnten viele Geheimnisse entlockt werden.
Doch die über 30 Mitarbeitenden am CEZA beschäftigen sich mit viel mehr. Neben den Datierungen gehören auch Material- und Isotopenanalysen, technologische, bioarchäologische und Echtheitsuntersuchungen zum Tagesgeschäft am CEZA. Als 2017 eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum geraubt wurde, halfen sie, mit dem Nachweis von Goldspuren genau dieses Objekts an der Kleidung der Tatverdächtigen den Fall zu lösen.
Mit der Radiokarbonmethode lassen sich ebenfalls viele Fragen aus dem Themenfeld Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft beantworten. Damit ist CEZA auch ein wichtiger Ansprechpartner für Wirtschaftsunternehmen geworden. Ob zum Beispiel ein Treibstoff oder Kunststoff aus erneuerbaren oder fossilen Materialien besteht, sind Themen, die immer größeren Raum einnehmen.
Bisher konnte das CEZA rund 5.000 C14-Proben pro Jahr untersuchen, doch die Wartezeit war auf zwölf Wochen angewachsen. Durch den zweiten Beschleuniger wird es möglich, diese Zeit zu senken und noch mehr Proben aus dem wissenschaftlichen wie dem industriellen Bereich bei gleichbleibender Qualität zu analysieren.