Ausschließlich über den Wasserweg erhält das Grosskraftwerk Mannheim jährlich 1,5 bis 2,5 Millionen Tonnen Steinkohle für seine Strom- und Wärmeproduktion.
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Zahlreiche Unternehmen wie BASF, Heidelberger Druckmaschinen, John Deere und Roche nutzen die Infrastruktur des Mannheimer Hafens.

von Kira Hinderfeld

Der Mannheimer Hafen ist ein bedeutender Standortvorteil: nicht nur für Mannheim selbst, sondern für die gesamte Metropolregion Rhein-Neckar. Als Tor zur Welt für die stark exportorientierte regionale Industrie und von zentraler Bedeutung für die Versorgung von Unternehmen und Bevölkerung mit Waren, Rohstoffen und Energie werden im Hafen jährlich über sieben Millionen Tonnen Güter wasserseitig umgeschlagen. Gemeinsam mit den Hafenbetrieben in Ludwigshafen waren es im Jahr 2022 sogar über 13 Millionen Tonnen Güter.

Die Häfen sind zentrale Verkehrsknotenpunkte für den Gütertransport in und aus der Region. „Sie sind auch ein wichtiger Teil der ökologischen Transformation“, sagt Manfred Schnabel, Präsident der IHK Rhein-Neckar. Hier werden die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße optimal auf kürzestem Weg verknüpft – ideale Voraussetzungen auch für den ressourcenschonenden Kombinierten Verkehr. „Mit dieser Trimodalität ist unser Hafen ein wichtiger Baustein der Verkehrswende“, erläutert Mannheims Hafendirektor Uwe Köhn. Denn die Bedeutung der Wasserstraßen als umweltfreundliche Alternative zum Straßenverkehr ist unbestritten. So kann ein Binnenschiff die Ladung von bis zu 50 Eisenbahn-Güterwaggons oder 150 bis 200 Lkw aufnehmen und damit den Schienen- und Straßenverkehr entlasten.

„Unsere trimodal aufgestellten Häfen sind wichtige Bausteine der Verkehrswende.“
Hafendirektor Uwe Köhn
Foto: privat

Vorbildlich: Im Rheinauhafen kommen allein für das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) pro Jahr ca. 1.000 bis 1.800 Schiffe an. Denn die Anlieferung der 1,5 bis 2,5 Millionen Tonnen Steinkohle für seine Strom- und Wärmeproduktion erfolgt ausschließlich über den Wasserweg. Und auch für den Abtransport von Sekundärrohstoffen wie Nassgips, der in der Baustoffindustrie verwendet wird, setzt das GKM Schiffe ein.

Mannheim ist Hinterlandhafen von Zeebrugge, Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen. Rund 400 Unternehmen sind im Hafen angesiedelt und nutzen sein Angebot – ebenso wie weitere namhafte Verlader aus Mannheim und der Region.

Dr. Uwe Liebelt, President Europäische Verbundstandorte BASF SE und Werksleiter Ludwigshafen, hält eine hervorragende logistische Anbindung für einen zentralen Erfolgsfaktor zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Standorte im laufenden Transformationsprozess. Leistungsfähige Wasserstraßen seien dabei ein enorm wichtiger Baustein – insbesondere vor dem Hintergrund von tausenden sanierungsbedürftigen Kilometern Straße und Schiene. „Die BASF schlägt in ihren hiesigen Häfen täglich 15 Binnenschiffe um. Mit einem Anteil am Transportvolumen von 40 Prozent ist das Schiff bei uns der größte Mobilitätsträger“, berichtet Liebelt. 35 Prozent entfallen auf die Straße, 25 Prozent auf die Schiene. Um sich klimaresilient aufzustellen und Liefersicherheit für die Kunden garantieren zu können, investiert BASF in eine niedrigwassertaugliche Flotte, hat ein digitales Frühwarnsystem für Niedrigwasser entwickelt und baut die Intermodalität weiter aus.

Auch die Heidelberger Druckmaschinen AG setzt mittlerweile voll auf die Binnenschifffahrt. „Druckmaschinen über die Wasserstraße zu verladen, galt vor 20 Jahren als unmöglich“, erinnert sich Holger Steuerwald, Vice President Supply Chain Management. Bis 1998 habe man die großen Anlagen teilweise noch mit dem Lkw oder der Bahn an die Nordseehäfen gebracht. Doch konnte die Bahn bei dem sehr volatilen Geschäft nicht die nötige Flexibilität bieten. „Wir passten nicht in den Fahrplan“, schmunzelt er. Der Mannheimer Hafen ist für Heidelberg die Drehscheibe für die Rheinschifffahrt. „Wenn es die Wasserstraße nicht gäbe, müssten wir unsere Maschinen mit dem Lkw auf die Langstrecke schicken. Das würde 50 Prozent mehr Kosten und 100 Prozent mehr CO2-Ausstoß verursachen“, rechnet der Logistikexperte vor. Jedes Jahr schickt Heidelberg 2.500 Ladungen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 22 Tonnen je 40-Fuß-Container auf den Weg – bis etwa nach Shanghai, Melbourne oder Savannah, USA.

Bei John Deere gehen jedes Jahr mehr als 20.000 Traktoren auf die Schiffsreise nach Rotterdam oder Antwerpen und von dort weiter in Richtung England, USA, Australien und viele andere Länder. Damit ist der Rhein eine der wichtigsten Verkehrsadern für die größte John Deere Fabrik außerhalb Nordamerikas – sowohl aus wirtschaftlicher als auch ökologischer Perspektive. Zwei Schiffe pendeln im Linienverkehr regelmäßig zwischen Mannheim und den Seehäfen hin und her und befördern rund 300 Traktoren pro Woche. Zudem werden viele Komponenten per Containerschiff für die Fertigung in Mannheim rheinaufwärts transportiert. Dem Rheintransport bescheinigen die Mannheimer Traktorenbauer neben einem unschlagbar schnellen Ladevorgang eine hohe Zuverlässigkeit – auch bei Niedrigwasser. Obwohl dann die Transportkapazität sinkt und die Kosten steigen, sei die Schiene aktuell nur bedingt eine Alternative, selbst wenn der Klimawandel weitere Extremwetterereignisse bringen sollte.

Weite Wege zurücklegen müssen auch die Produkte, die von Roche in Mannheim in 170 Länder distribuiert werden: Diagnostika, die helfen, wichtige Therapieentscheidungen für Patientinnen und Patienten weltweit zu treffen. 2024 will Mannheims größter Arbeitgeber ein neues europäisches Distributionszentrum einweihen. „Unser Standort liegt logistisch ideal im Herzen Europas“, erklärt Werkleiter Martin Haag. Dafür sprechen die Nähe zum Frankfurter Flughafen, die gute Bahnanbindung und natürlich die Nähe zum Mannheimer Hafen. Die Seefracht nimmt bei Roche eine immer größere Rolle ein. „Das bietet sich bei unseren Volumina einfach an, auch wenn man mit dem klassischen 40-Tonner beim innerdeutschen Transport recht weit kommt. Bei Überseetransporten wollen wir weg vom Flugzeug und hin zum Schiff, und auch für den Transport zum Seehafen hin nutzen wir inzwischen häufiger das Schiff statt den Lkw“, kündigt Haag an.

Das neue Niedrigwasserschiff Stolt Ludwigshafen ist seit Ende April 2023 für die BASF in Betrieb.
Foto: BASF SE