Nach 16 Jahren als Erster Bürgermeister und Kämmerer wurde Christian Specht 2023 zum Oberbürgermeister der Stadt Mannheim gewählt. Foto: Stadt Mannheim

Wie er die Mannheimer Wirtschaft bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen unterstützen möchte, schildert der neu gewählte Oberbürgermeister Christian Specht im Gespräch mit „Mannheim – Stadt im Quadrat“.

Die Zahl der Beschäftigten ist in Mannheim seit Jahren auf einem hohen Niveau konstant – trotzdem ist die wirtschaftliche Lage derzeit sehr volatil. Was kann die Stadt tun, um den Unternehmen in dieser Situation zur Seite zu stehen?

Christian Specht: Vor allem, indem wir als Verwaltung offen sind für die Themen und Probleme der Unternehmen – und das auf jeder Ebene. Wichtig ist vor diesem Hintergrund ein kontinuierlicher Austausch mit den Firmenleitungen und die Unterstützung und Thematisierung ihrer Anliegen in den verschiedenen Gremien auf Landes- und gegebenenfalls Bundesebene wie dem Städtetag. Wo uns das möglich ist, geben wir zudem gezielt Hilfestellung, zum Beispiel bei der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, aber auch bei der Suche nach Kooperationen, Grundstücken oder geeigneten Fachkräften.

Natürlich sind die Anforderungen der Unternehmen je nach Branche, Kunden oder Zuliefererstruktur sehr vielfältig. Entsprechend unterschiedlich sind die Fragestellungen und Herausforderungen, mit denen die Betriebe an uns herantreten.

Als großen Standortvorteil sehen viele Betriebe in Mannheim die verschiedenen Hochschulen vor Ort. Trotzdem fehlen dringend notwendige Fachkräfte. Sehen Sie einen Ansatz, diesem Problem abzuhelfen?

Specht: Mannheim hat als Hochschulstadt mit rund 30.000 Studierenden selbstverständlich einen großen Standortvorteil, den wir intensiv nutzen wollen, um Absolventen für eine Berufstätigkeit in unserer Stadt zu gewinnen. Derzeit liegt zu Recht ein Schwerpunkt auf dem Thema duale Ausbildung. Aber auch die akademische Ausbildung ist aufgrund des demografischen Wandels eine notwendige Voraussetzung für die Sicherung von Fach- und Führungskräften für unsere Unternehmen – vor allem im MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) -Bereich. Wir brauchen insbesondere mehr junge Frauen in den MINT-Studiengängen. Das Programm MINTcon, eine gemeinsame Initiative von Stadt Mannheim, Hochschule Mannheim und MRN GmbH mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, setzt hier wichtige Impulse.

Mannheim ist Standort großer weltweit aktiver Unternehmen, die ständig auf der Suche nach neuen und modernen Flächen und Gebäuden sind. Über welche Erweiterungsflächen verfügt Mannheim noch, nachdem das Glückstein-Quartier und die Konversionsflächen weitgehend belegt sind?

Specht: In der Tat haben wir den bereits in Mannheim ansässigen Firmen, aber auch vielen Unternehmen, die neu zu uns gekommen sind, zahlreiche attraktive Flächen zur Verfügung stellen können. Eine besondere Erfolgsgeschichte ist die Erschließung des Glückstein-Quartiers am Hauptbahnhof, in dem rund 5.000 Arbeitsplätze entstehen. In den nächsten Jahren wird es – auch unter Nachhaltigkeitsaspekten – vor allem darum gehen, nicht mehr genutzte Flächen zu revitalisieren und Baulücken zu schließen. Wie groß hier das Potenzial in einer traditionsreichen Industriestadt wie Mannheim ist, zeigt das neu erschlossene Gewerbequartier „Turbinenwerk“ auf dem ehemaligen Gelände von ABB/BBC in Mannheim-Käfertal oder der neue Business Park „City Dock Mannheim Süd“ in Mannheim-Neckarau auf einer Fläche, die viele Mannheimer noch als Produktionsort der berühmten Schildkröt-Puppen in Erinnerung haben. Und auch in den bereits etablierten Gewerbegebieten wie Friedrichsfeld gibt es immer noch Ansiedlungsmöglichkeiten. Dort wird zum Beispiel 2024 der koreanische Baumaschinenspezialist Develon in seine neue Deutschlandzentrale einziehen. Die Transformation von traditionellen Industrie- und Gewerbeflächen in zukunftsorientierte Industrie- und Gewerbeflächen werden wir aktiv und positiv begleiten – neue Impulse unterstützen und neue Ideen ausprobieren.

Mannheims City gehört zu den Top-Shoppingmeilen der Republik. Doch auch Mannheims Einzelhandel leidet unter der Abwanderung der Kundinnen und Kunden ins Internet und unter der Kaufzurückhaltung angesichts der hohen Inflation. Was sind Ihre Pläne für die Innenstadt?

Specht: Die Mannheimer City ist attraktiv, das bestätigen immer wieder die Ergebnisse der Untersuchung „Vitale Innenstädte“, an der Mannheim 2022 bereits zum fünften Mal teilgenommen hat. Mit dem Umbau der Planken und ihrer Seitenstraßen hat die Stadt bereits deutlich zur Aufwertung der City beigetragen. Neben dem vielfältigen Angebot von Handel und Gastronomie rückt jedoch auch das Thema Aufenthaltsqualität und Wohnraum in der Innenstadt zunehmend in den Blickpunkt. Ganz aktuell entwickeln wir Ideen und Anregungen für die Zukunft der Mannheimer Innenstadt, aber auch der Zentren in den Stadtteilen Rheinau, Schönau und Vogelstang, in dem Projekt „FutuRaum“,  das  vom Bund unterstützt wird. Die temporäre Nutzung von Leerständen für kulturelle Angebote ist hier ein erster Baustein.

Mannheim hat sich in den letzten Jahren vor allem mit seinen weitreichenden Klimaschutzzielen profiliert. Werden Sie diesen Weg weitergehen und welche Projekte haben Sie hier im Auge?

Über Investitionen am Standort Mannheim wie hier beim ersten Spatenstich des koreanischen Baumaschinenherstellers Develon, einer Tochter von HD Hyundai Infracore, am 5. September 2023 im Industriegebiet Friedrichsfeld freut sich OB Christian Specht (l.) besonders. Das Foto zeigt ihn gemeinsam mit Alexander Adler, CEO des Projektentwicklers ADLER Immobilien Investment, Seunghyun Oh (CEO HD Hyundai Infracore) und Johann Georg Adler III (Gesellschafter, Vorsitzender des Beirats ADLER Immobilien Investment. (2. bis 4. v.l.). Foto: Adler Investment

Specht: Wir haben uns mit dem Leitbild Mannheim 2030 als Stadt ganz klare Ziele in Sachen Klimaschutz gesetzt und verfolgen diese Ziele mit aller Kraft, denn die Folgen des Klimawandels werden immer deutlicher. Sie betreffen auch die Unternehmen am Standort Mannheim, sei es mit Blick auf die Arbeitsbedingungen bei Außentätigkeiten oder in Hallen, beim erhöhten Kühlungsbedarf für die Produkte oder bei Problemen rund um den Transportweg Rhein bei Niedrigwasser, um nur einige Beispiele zu nennen. Unser Klimaschutzaktionsplan umfasst eine Reihe von Maßnahmen auf dem Weg zur Klima­neutralität, ohne die Beschäftigung in den Betrieben zu gefährden, was natürlich höchste Priorität hat. Besonders relevant wird in den nächsten Jahren die Wärmewende, also die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, sein. Doch wir brauchen die Unterstützung durch Dritte mit eigenen Projekten und die Förderung von Land, Bund und EU, um diesen Weg weiterzugehen und den Wirtschaftsstandort Mannheim zukunftssicher aufzustellen.

Mit Blick auf diesen gewaltigen Transformationsprozess zur klimaneutralen Produktion und Wertschöpfung arbeiten wir, nicht nur im Programm „Local Green Deal“, bereits eng mit den Unternehmen zusammen. Ein besonders erfolgversprechendes Projekt ist die Initiative "Industriestandort Mannheim". Hier hat die Wirtschaftsförderung die größten Industriefirmen der Stadt an einen Tisch gebracht, um mit ganz konkreten Verbundprojekten zwischen verschiedenen Firmen vor Ort, zum Beispiel bei den Themen digitale Prozessketten, Energieversorgungssicherheit oder Mobilität, diesen grundlegenden Wandel gemeinsam voranzubringen.

Mannheim hat als Standort für Start-ups auch durch seine zahlreichen Gründungszentren einen guten Ruf. Mit dem Innovationszentrum GreenTech ist ein weiteres Zentrum in Planung. Welche Impulse und Akzente möchten Sie hier setzen?

Specht: Unsere Gründungszentren konzentrieren sich jeweils auf eine Wachstumsbranche oder ein zukunftsträchtiges Thema. Dieses Erfolgsrezept wollen wir auf die Green-Tech-Branche mit ihrem jährlichen Marktvolumen von über 330 Milliarden Euro und prognostizierten jährlichen Wachstumsraten von mindestens fünf Prozent übertragen. Sie ist einer der Zukunftsmärkte schlechthin und gleichzeitig Schlüssel für Umwelt- und Klimaschutz. Die Stadt Mannheim und die Metropolregion Rhein-Neckar haben hier überdurchschnittlich gute Ausgangsvoraussetzungen – durch eine Unternehmenslandschaft von innovativen Start-ups bis hin zu Weltkonzernen, die im Bereich Green Tech bereits sehr erfolgreich unterwegs sind. Mit dem geplanten Innovationszentrum GreenTech kann ein Ort für innovative Umwelt- und Energietechnologien geschaffen werden, der Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen sowie intermediäre Zielgruppen der Innovationsförderung und des Klimaschutzes in einem integrierten Konzept mit überregionaler Strahlkraft zusammenführt.

Die Fragen stellte Ulla Cramer.

Zur Person

1966 in Mannheim geboren und im Stadtteil Waldhof aufgewachsen, studierte Christian Specht in Mannheim und Heidelberg Jura und Umweltwissenschaften und wurde nach dem 2. Juristischen Staatsexamen 1997 Referent beim Raumordnungsverband Rhein-Neckar. Vier Jahre später verhandelte er als Direktor dieser Organisation und des Regionalverbands Rhein-Neckar-Odenwald mit den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz den Staatsvertrag zur Gründung des ländergrenzüberschreitenden Verbandes Region Rhein-Neckar. 2005 wurde das CDU-Mitglied vom Mannheimer Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt, 2007 zum Ersten Bürgermeister mit der Verantwortung für die Bereiche Finanzen, Beteiligungsvermögen, IT, ÖPNV und Sicherheit und Ordnung. Am 9. Juli 2023 gewann Specht die Wahl zum Mannheimer Oberbürgermeister und trat dieses Amt am 4. August an.