Im Branchenverband ZVEI arbeitet die Elektronik- und Digitalindustrie eng zusammen. An seiner Spitze steht Dr. Gunther Kegel, Vorstandsvorsitzender des Mannheimer Sensorikspezialisten Pepperl+Fuchs. Über seine Motivation sprach er mit „Mannheim – Stadt im Quadrat“.

Dr. Gunther Kegel bringt seine Expertise in die Verbandsarbeit ein – sieht jedoch auch für sein Unternehmen durch dieses Engagement einen hohen Mehrwert.
Foto: Pepperl+Fuchs

Erst 2023 sind Sie einstimmig für eine zweite dreijährige Amtsperiode als Präsident des ZVEI – Verband der Elektro- und Digitalindustrie e. V. wiedergewählt worden. Und diese Position ist nur eine von zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten, die Sie in unterschiedlichen Branchenverbänden übernommen haben. Warum stellen Sie sich für diese zeitaufwändigen Aufgaben zur Verfügung?

Dr. Gunther Kegel: Die Verbandsebene ist u. a. für Industriepartner die einzige Möglichkeit zu kooperieren, ohne Gefahr zu laufen, gegen das immer strenger werdende Kartellrecht zu verstoßen. Hier können Firmen aus allen Branchen beispielsweise Standards gemeinsam entwickeln. Der Verband stellt sicher, dass keine wettbewerbsrechtlich bedenklichen Themen bearbeitet werden und niemand außen vor bleibt. Dies zu gewährleisten, ist eine der wichtigen Aufgaben der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbands. Vor jeder Sitzung wird diese Problematik durch eine kurze Erläuterung des sogenannten Kartellleitfadens angesprochen. 

Was beschäftigt die Branche denn derzeit besonders?

Kegel: Nachdem wir nach rund zehn Jahren das Thema Industrie 4.0 in unseren Firmen realisiert haben, schlagen wir nun mit der Initiative „Manufacturing-X“ das nächste Kapitel der industriellen Digitalisierung auf. Zwar haben wir inzwischen die internen Prozesse in unseren Unternehmen fast alle digital unterlegt. Doch der nächste Schritt muss die digitale Kommunikation zwischen den Unternehmen sein, beispielsweise entlang der gesamten Lieferkette. Technisch lässt sich ein solcher Datenraum, der es ermöglicht, die eigenen Daten in genormten Formaten mit Partnern zu teilen, ohne die Kontrolle über sie zu verlieren, bereits verwirklichen. In der Praxis befinden sich diese Datenräume in der Industrie im Moment im Aufbau. Es ist eine wichtige Aufgabe unseres Verbands, gemeinsam mit anderen Branchenverbänden und z. B. dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ihren Aufbau jetzt zu beschleunigen. Aber natürlich befassen wir uns auch mit ganz aktuellen Themen. So wehren wir uns gegenwärtig gegen Bestrebungen, per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, die sogenannten PFAS, die sich in der Umwelt nur sehr langsam abbauen, als gesamte Stoffgruppe zu verbieten. Zu den PFAS gehören rund 10.000 Chemikalien, die in zahlreichen Produkten, z. B. auch bei den von uns so dringend benötigten Halbleitern, verwendet werden. Wir setzen uns dafür ein, diese Stoffe nicht grundsätzlich zu verbieten, sondern in Gruppen einzuteilen, diese jeweils einer Risikoanalyse zu unterziehen und dann die geeigneten Maßnahmen je nach Risikoprofil zu ergreifen – das ist für unsere Industrie ein existenzielles Thema.

Wie schaffen Sie es, Ihre Aufgaben in den Verbänden mit Ihrer Position als Vorstandsvorsitzender von Pepperl+Fuchs unter einen Hut zu bringen?

Kegel: Man darf sich nichts vormachen. Dieses Engagement ist ohne einen zusätzlichen Zeitaufwand nicht zu bewältigen. Hilfreich ist in unserem Haus, dass wir den Vorstand aufgestockt haben und es deshalb leichter möglich ist, die eine oder andere Aufgabe abzugeben. Ich bin sehr froh, dass unsere Aktionäre mein Engagement unterstützen – auch weil der Nutzen meiner Verbandstätigkeit die Kosten weit übersteigt. Ein Beispiel: In regelmäßigen Abständen werden wir aufgefordert, für unsere induktiven Näherungsschalter eine Radiozulassung zu beantragen, da sie elektromagnetische Wellen ausstrahlen würden, die sich im Raum ausbreiten. Dies ist definitiv falsch. Doch ohne die Unterstützung des Verbands hätten wir hier ganz schlechte Karten. Auch der intensive Austausch innerhalb der Verbände und mit der Politik hat einen hohen Wert für unser Unternehmen – ein Mehrwert, ohne dafür teure externe Berater in Anspruch nehmen zu müssen.

Das Interview führte Ulla Cramer.

Zur Person

Seit 1997 steht Dr. Gunther Kegel an der Spitze von Pepperl+Fuchs, wo er im Jahr 1990 nach dem Studium der Elektrotechnik und der Promotion an der TU Darmstadt seine berufliche Laufbahn als Leiter der Vorentwicklung begann. Schon seit 1992 engagiert sich Kegel im ZVEI – Verband der Elektro- und Digitalindustrie e. V. und wurde dort im Oktober 2020 zum Präsidenten gewählt. Von 2016 bis 2020 war er zudem Präsident des VDE – Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., wo er heute als stellvertretender Präsident aktiv ist, ebenso wie im Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI). Er ist außerdem Vorsitzender des Ausstellerbeirats der Hannover Messe sowie Mitherausgeber des Fachmagazins atp, das den digitalen Transformationsprozess in der Prozess- und Fertigungsautomatisierung begleitet.