Es ist eines der traditionsreichsten Industriegebiete Mannheims – das Steinzeug-Areal im Stadtteil Friedrichsfeld. Mit Aliaxis Deutschland, KYOCERA Fineceramics Europe und dem Projektentwickler AVENTOS investieren nun gleich drei Firmen in die Zukunft des Geländes.
von Ulla Cramer
Alles begann im Jahr 1863, als Otto Reinhard vor Ort eine Ziegelei gründete, die allerdings schon vier Jahre später wieder liquidiert wurde. Das brachliegende Gelände übernahm 1873 der Industrielle Julius Friedrich Espenschied und stellte hier Tröge, Wannen und vor allem Tongutröhren her, die signifikant dazu beitrugen, die englische Monopolstellung zu brechen. Mit seinem Steinzeug belieferte er u. a. die aufstrebende chemische Industrie wie die BASF und Hoechst. 1926 ging das Unternehmen an die Deutsche Steinzeug Cremer & Breuer Aktiengesellschaft, die die Steinzeugrohrproduktion 1982 zugunsten von Kunststoffprodukten einstellte. Es folgten stürmische Zeiten, und nach mehreren Eigentümerwechseln fand das seit 1993 unter Friatec AG firmierende Unternehmen 2003 in der belgischen Aliaxis-Gruppe eine neue Heimat, deren Namen sie 2019 auch annahm.
Rund 550 Mitarbeitende von Aliaxis Deutschland produzieren auf dem Steinzeug-Areal Verbindungstechnik und Armaturen für die Gas- und Wasserversorgung aus Kunststoff. Der belgische Mutterkonzern investiert kontinuierlich in seine deutsche Tochter und plant, bis 2025 ca. 50 Millionen Euro für moderne Büro- und Fertigungsgebäude sowie neue vernetzte Produktionsanlagen aufzubringen. Der erste Schritt war im April 2023 die Eröffnung eines neuen Bürokomplexes. Aus einem Gebäude aus den 1970er-Jahren mit vielen kleinen Büros ist eine moderne Arbeitswelt mit viel Raum für Kommunikation und Kreativität entstanden. Auf 2.000 Quadratmeter Grundfläche, verteilt auf drei Etagen, finden rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen Platz – in offenen und halboffenen Bereichen. Am 23. Oktober 2023 wurde der Spatenstich für eine neue, 1.660 Quadratmeter große Produktionshalle gefeiert – mit einem Retentionsdach zur Zurückhaltung von Regen und einer Photovoltaikanlage. Bei innovativen Lösungen für eine nachhaltige Energieversorgung ist Aliaxis einer der Vorreiter in Deutschland – und setzt dabei vor allem auf Wasserstoff. Mit Europas erster Wasserstoffbrennzelle erzeugt Aliaxis die komplette am Standort Mannheim benötigte Energie.
Seinen Keramikbereich hat Aliaxis Deutschland 2019 an den japanischen Konzern KYOCERA abgegeben, um sich auf seinen Kernbereich zu konzentrieren und damit einen weiteren Investor nach Mannheim-Friedrichsfeld geholt. Mit dieser Übernahme will KYOCERA – unterstützt durch zwei weitere Zukäufe in Deutschland – verstärkt den europäischen Markt erobern und im Gegenzug Produkte aus Mannheim in Asien vertreiben. Ein Ansatz, der erfolgreich ist. Die Geschäfte laufen gut, bis zum Jahresende 2023 wuchs die Belegschaft der KYOCERA Fineceramics Europe auf 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein wichtiger Schritt für die geplante Expansion war am 1. März 2023 der offizielle Spatenstich für den Bau eines Verwaltungszentrums sowie einer Logistik- und Produktionshalle, die Ende 2024 bezugsfertig sein sollen. Die beiden neuen Gebäude umfassen jeweils eine Fläche von 2.300 Quadratmetern und werden in Massiv-Holzbauweise errichtet. Für die Energie sorgt die Abwärme der Sinteröfen aus der Produktion. Die hier gefertigten Hochleistungs-Keramikkomponenten kommen in zahlreichen Bereichen zum Einsatz – u. a. werden sie in der chemischen Industrie, im Maschinenbau, in der Medizintechnik und in der Raumfahrt verwendet und beispielsweise in Brennstoffzellen, Computertomographen oder Hochdruckpumpen eingebaut. „Mit der Errichtung des Campus Nord unterstreicht KYOCERA seine regionale Verankerung“, so Armin Kayser, Executive Vice President KYOCERA Fineceramics Europe.
Wesentlich zur Finanzierung der Investitionen trug der parallele Verkauf von 63.000 Quadratmeter des insgesamt 100.000 Quadratmeter umfassenden von KYOCERA erworbenen Geländes an den Berliner Investmentmanager AVENTOS bei. Der Projektentwickler will hier unter Beibehaltung der nachhaltig nutzbaren und arealprägenden Gebäude, die in Teilen denkmalgeschützt sind und kernsaniert werden, den Gewerbepark „VAREAL“ entwickeln und auf diese Weise rund 37.000 Quadratmeter hochwertige Gewerbeflächen für Neuansiedlungen vor allem aus den Bereichen Light Industrial, Lager sowie Forschung und Entwicklung schaffen.
City Dock Mannheim Süd: Spatenstich für neuen Business Park
Bis 1975 wurden hier noch die berühmten Schildkröt-Puppen hergestellt: Nun wird im Business Park City Dock Mannheim Süd in Mannheim-Neckarau ab dem zweiten Quartal 2024 beegy, eine Tochtergesellschaft der MVV Energie und Anbieter von erneuerbaren, dezentralen Energielösungen für Privathaushalte, einziehen – auf einer Gesamtnutzfläche von rund 10.700 Quadratmetern. Das City Dock Mannheim Süd entsteht im Mannheimer Stadtteil Neckarau auf einem Brownfield mit einer Fläche von 15.200 Quadratmetern. Zuletzt wurde hier eine Kartbahn betrieben, die bereits abgerissen wurde. Am 20. Juli 2023 feierte der Projektentwickler Panattoni den Spatenstich – gemeinsam mit den neuen Mietern, Baubürgermeister Ralf Eisenhauer und Vertretern der Wirtschaftsförderung, die beegy bei der Suche nach einem passenden Standort beraten hatte. „Wir freuen uns, dass die beegy GmbH alleiniger Mieter unseres City Docks Mannheim Süd wird“, so Stefan Bohn, Managing Director Panattoni Deutschland.
„Mit der Entwicklung des Business Parks wollen wir den Nachfrageüberhang nach flexibel einsetzbaren Flächen am begrenzten Mannheimer Markt bedienen. Diese modernen Flächen eignen sich nun hervorragend für den Expansionskurs des Unternehmens.“ Das City Dock Mannheim Süd ist nur eines von zwölf City Dock-Projekten, die Panattoni seit 2019 in ganz Deutschland in urbaner Lage realisiert, um vor allem Flächen für kleine und mittlere Unternehmen, Handwerk und Handel zu schaffen. uc