Partner durch bewegte Zeiten
Bescheidene Anfänge im Nebenzimmer, ein steiler Aufstieg und dunkle Kapitel – die Sparkasse Rhein Neckar Nord blickt auf 200 Jahre Geschichte zurück.
VON STEFANIE BALL

Philipp Anton von Jagemann, seit 1814 Stadtdirektor in Mannheim, steht für Zucht und Ordnung in der Quadratestadt. 1822 erlässt er eine Vorschrift, wonach das Entsorgen von Müll auf der Straße mit einer Geldstrafe belegt wird. Ein Bäckermeister erlaubt sich daraufhin einen Scherz und erfindet den „Mannheimer Dreck“, kleine braune Lebkuchen, die wie Dreckhäufchen aussehen und bis heute sehr beliebt sind.
In die Annalen geht Jagemann jedoch nicht deshalb ein – sondern wegen der Gründung einer ganz anderen Institution: der Sparkasse Mannheim, die er am 18. Juli 1822 aus der Taufe hebt. Für die Geschäftstätigkeit weist er ihr ein Nebenzimmer im alten Rathaus zu. Jagemanns Absicht: Sparen und Vorsorge einer breiten Gesellschaft zugänglich zu machen. Auch Menschen mit geringem Einkommen sollten die Möglichkeit haben, ihr Geld sicher und verzinst anzulegen.

von Jagemann gründete die Sparkasse Mannheim am 18. Juli 1822. FOTO: REM/KIND
Daneben hofft der praktisch denkende Verwaltungsfachmann, dass das neue Sparinstitut die Armenanstalt entlasten wird. Das erfordert allerdings Überzeugungsarbeit, denn viele Menschen sind damals arbeitslos, da bleibt kaum ein Groschen übrig. Aber die Garantie der Stadt für die Einlagen sowie eine Verzinsung von vier Prozent überzeugen. In den ersten 20 Jahren gewinnt die Sparkasse Mannheim 5.000 Einleger – bei gerade einmal 20.000 Einwohnern. Die Geschäftszeiten sind indes überschaubar: Bis Anfang der 1860er Jahre ist das Geldhaus nur an einem Vormittag pro Woche geöffnet. Erst 1863 wird der Geschäftsbetrieb auf Dienstag und Mittwoch jeweils von neun bis zwölf Uhr ausgeweitet.
Als sich Mannheim Mitte des 19. Jahrhunderts zum Industriestandort entwickelt und der Handel zu blühen beginnt, nehmen auch die Geschäfte der Mannheimer Sparkasse an Fahrt auf. 1897 wird die erste Filiale eingerichtet, und zwar im Stadtteil Käfertal, der im selben Jahr eingemeindet wird. Es folgen weitere Geldannahmestellen. 1912 emanzipiert sich das Geldhaus, das bis dahin eng mit der Stadt verbunden ist, und erwirbt unter dem damaligen Direktor Heinrich Schmelcher seine ersten eigenen Räume. Das Ambiente ist ein besonderes: das Engelhorn’sche Palais in A1. Parallel dazu verläuft die Entwicklung der Sparkasse Weinheim, die sich mit der Sparkasse Mannheim noch eines Tages schicksalhaft verbinden wird. Sie wird im April 1866 ins Leben gerufen, 1928, nach mehreren Fusionen mit kleineren Sparkassen, wird aus ihr eine Bezirkssparkasse.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 beginnt auch für die Sparkassen ein dunkles Kapitel. Wie alle öffentlichen Institutionen, Verbände und Körperschaften werden auch die Sparkassen in Mannheim und Weinheim gleichgeschaltet. Das Sparen wird für ideologische Zwecke missbraucht. Ziel ist, die Spareinlagen zu steigern, auf die der NS-Staat angewiesen ist.

Als im Zuge der „Arisierungen“, der Enteignung des Besitzes von Jüdinnen und Juden, Vermögen auf Sperrkonten transferiert, Geschäfte geschlossen und Häuser und Grundstücke zu Spottpreisen verkauft werden, sind auch die Sparkassen Teil dieses Unrechtssystems, indem sie Zahlungsvorgänge abwickeln und Zwangsversteigerungen veranlassen. Später werden auch Vermögen von Juden, die bereits emigriert oder in Vernichtungslager verschleppt worden sind, eingezogen und an die Finanzämter abgeführt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt der Wiederaufbau, und bald bringt das Wirtschaftswunder Deutschland in Schwung. Sparkassendirektor Fritz Krumme beschließt den Neubau der Hauptstelle der Sparkasse Mannheim am Paradeplatz in D1. 1954 wird sie eröffnet. Die Sparkasse wächst, für immer mehr Mitarbeiter wird bald mehr Platz benötigt. In D2 entsteht Ende der 1980er Jahre ein Neubau, der durch einen Tunnel mit der Hauptstelle verbunden ist.
Die Jahrtausendwende markiert eine bittere Zäsur. Mit scheinbar lukrativen Investitionen und riskanten Krediten übernimmt sich die Sparkasse Mannheim Anfang der 1990er Jahre. Selbst Großkredite werden ohne ausreichende Prüfung vergeben. Die Quittung folgt: Mehrere Kredite platzen, die Sparkasse macht Millionenverluste und gerät in eine wirtschaftliche Schieflage.
Der Sparkassenskandal von Mannheim schafft es bis in die überregionalen Medien. Mit mehr als 400 Millionen DM Verlust handelt es sich um die größte Wertberichtigung einer einzelnen kommunalen Sparkasse. Händeringend wird nach einer Lösung gesucht und in Gestalt der Bezirkssparkasse Weinheim gefunden. Sie ist zu einer Fusion mit der Sparkasse Mannheim bereit. Am 31. Dezember 2000 entsteht so die Sparkasse Rhein Neckar Nord.
Heute ist die Sparkasse an 49 Plätzen mit 29 Filialen und 20 Selbstbedienungs-Standorten vertreten – und der Neubau des Hauptgebäudes in D1 geht in die Umsetzungsphase. Schon im Jahr 2023 beginnen voraussichtlich die Abriss- und Bauarbeiten. Und auch bei dem Kreditinstitut hat die Zukunft längst begonnen. Von circa 150.000 Konten sind 110.000 für Online- und Mobile Banking freigeschaltet. Die Anzahl der Sparkassen-App-Nutzer liegt bei über 41.000.
Zitat:
„Unsere Sparkasse ist ein Abbild der Gesellschaft.“
Stefan Kleiber, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Rhein Neckar Nord


