Die Revitalisierung des traditionsreichen Industrieareals „Turbinenwerk Mannheim“ in Mannheim-Käfertal kommt mit großen Schritten voran.

von Ulla Cramer

Tobias Neldner hat eine Vision. Vor seinem inneren Auge sieht er ein großzügiges Gewerbequartier mit historischen, frisch sanierten Hallen und neu errichteten Bürogebäuden, in dem die rund 1.000 hier beschäftigten Menschen in den Pausen gastronomische Angebote nutzen und ein 20 Meter breiter Grünzug mit vielen Bäumen für Schatten und Entspannung sorgt. „In einigen Jahren wird dieses traditionsreiche Areal ein komplett neues Gesicht haben und in die Stadt integriert sein“, so Neldner, der das Projekt gemeinsam mit seinem Team für den bundesweit tätigen Immobilienentwickler Aurelis Real Estate voranbringt.

"Das Turbinenwerk ist ein Standort,
der inspiriert und ganz neue Kräfte freisetzt."
Tobias Neldner, Gesamtverantwortlicher
Turbinenwerk Mannheim Foto: Adele Marschner/Aurelis

Zahlreiche Kapitel der Mannheimer Industriegeschichte wurden auf dem knapp 20 Hektar großen Gelände geschrieben. BBC, ABB, Alstom und General Electric (GE) haben hier produziert. Bei letztgenanntem Unternehmen verantwortete Neldner das Immobilienmanagement, als Aurelis das Areal im Jahr 2019 übernahm. „Den Verkauf des Areals von GE an Aurelis habe ich damals begleitet“, blickt er zurück. „Dass ich im Rahmen meiner jetzigen Aufgabe erleben kann, wie hier neues Leben einzieht, freut mich natürlich besonders.“

Allein 50.000 Quadratmeter bestehende Hallenfläche hat Aurelis im „Turbinenwerk Mannheim“ im Angebot – und strebt eine langfristige Vermietung mit einer möglichst hohen Wertschöpfung an. Mit Verträgen über eine Fläche von insgesamt 35.000 Quadratmetern ist das auch schon zu einem großen Teil gelungen. Die restlichen Hallen werden derzeit meist als Zwischenlager genutzt. „In unsere ältesten Hallen 13 bis 15, die in den 1920er-Jahren entstanden sind, ist 2022 ABB und ihr strategischer Partner Huettemann Logistik eingezogen“, nennt Neldner ein Beispiel für eine Nutzung, wie sie im Fokus von Aurelis steht. „Hier werden Schaltschränke und andere elektrische Geräte produziert und gewartet.“ Weitere Mieter sind u. a. GE und Yunex Traffic, ein Entwickler innovativer Verkehrssysteme. „Auch das Nationaltheater mit seinem Tanzhaus hat bei uns auf Dauer seine Heimat gefunden – und auf unserem 2020 und 2021 von ABB ergänzend zugekauften Gelände haben sich kleine Betriebe aus Kultur und Handwerk wie eine Schule für Schlagzeuger, eine Autowerkstatt, ein Messebauer und ein Hersteller von Stadtraummöbeln niedergelassen.“

In der Tradition des Geländes tragen die bestehenden neun Bürogebäude, deren Bau teilweise bis auf das Jahr 1900 zurückgeht, die Namen berühmter Naturwissenschaftler und Erfinder vor allem aus der Elektrotechnik. Zahlreiche Flächen sind bereits vergeben. Das Haus Xenophon nutzt beispielsweise GE, der ehemalige Eigentümer des Geländes. Im Haus Volta ist der Arbeiter-Samariter-Bund und im Haus Watt ServiceHaus, eine Tochter der GBG-Gruppe, eingezogen.

Das erste von Aurelis neu errichtete Projekt, ein Parkhaus mit 740 Stellplätzen und 76 Stromladepunkten, wurde im September 2023 eröffnet. Für zwei neue Bürogebäude, das Haus „Lilienthal“ als Eingangstor zum „Turbinenwerk“ mit ca. 12.500 Quadrat­metern Fläche und das Haus „Galvani“ mit einer Fläche von rund 13.200 Quadrat­metern, liegen bereits Baugenehmigungen vor. Für ein drittes Objekt, das Haus „Curie“, sind multifunktionale Flächen vorgesehen, die nicht nur für Büros, sondern auch für Labore und z. B. für Montagearbeiten genutzt werden können. „Wir werden hier die aktuellen Entwicklungen – insbesondere in Bezug auf die zunehmende Nutzung des Homeoffice – berücksichtigen“, sagt Neldner.

Auf einem 6.500 Quadratmeter großen Grundstück außerhalb des Kerngeländes, dem derzeit unbebauten ehemaligen Parkplatz Ost, ist perspektivisch ein Unternehmerpark vorgesehen. Zielgruppen für die Vermietung sind Handwerks- und Montagebetriebe. „Hierbei handelt es sich um ein bewährtes Standardprodukt von Aurelis“, erklärt Neldner. Errichtet werden auf einer Fläche von je rund 2.000 Quadratmetern jeweils eine Halle und ein vorgebauter Büroriegel.

Das geplante Haus „Lilienthal“ markiert den Eingang zum „Turbinenwerk Mannheim“. Visualisierung: Sichtvision
Mit dem InnoLab Battery auf dem Weg in die Zukunft

Es war ein feierlicher Moment: Nach dem launigen Richtspruch von Polier Frank Dörr von DIRINGER & SCHEIDEL wurde zu den Klängen von Nini Rossos Abschiedsmelodie „Il Silenzio“ am 5. Juli 2023 der Richtkranz im Gebäude 18 des Mercedes-Benz Werks Mannheim hochgezogen. Die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer applaudierten kräftig. 

Richtfest im Mercedes-Benz Werk in Mannheim: Die Poliere Frank Dörr (l.) und Andreas Imparato von DIRINGER & SCHEIDEL stoßen auf das neue InnoLab Battery an.
Foto: Daimler Truck

Noch bis 2020 wurde die Halle 18 aus dem Jahr 1952 für die Zerspanung von Zylinderkurbelgehäusen und Schwungrädern genutzt. Nun wurde die 7.500 Quadratmeter große Halle durch einen Anbau um 3.500 Quadratmeter ergänzt und mit über 60 Anlagen ausgestattet. Ende 2023 fällt nun im Herzen des Mercedes-Benz Werks Mannheim der Startschuss für die Fertigung der ersten eigenen Batteriezellen-Prototypen von Daimler Truck.

Für die 4.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konzerns, die am Standort Mannheim Motoren und zugehörige Komponenten für Nutzfahrzeuge fertigen, ist das InnoLab Battery ein wichtiger Meilenstein im Wandel von einem klassischen Motorenwerk hin zu einem Kompetenzzentrum für Batterietechnologien und Hochvoltsysteme, in das auch die 25 Jahre lange Erfahrung des im Werk angesiedelten Kompetenzzentrums für emissionsfreie Mobilität (KEM) einfließt – und ein zusätzliches Standbein zur etablierten Fertigung von Verbrennermotoren. Rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nach der endgültigen Inbetriebnahme hier tätig sein. Zu einem großen Teil stammen sie aus der Mannschaft vor Ort.

Ob in Mannheim in Zukunft tatsächlich Batterien in Serie hergestellt werden, ist noch nicht entschieden. „In einem ersten Schritt geht es uns nun darum, Erfahrungen zu sammeln und uns Wissen zum Thema Batterien anzueignen, das uns bei der Transformation vom Verbrennermotor zum elektrobetriebenen Lkw helfen wird“, so Andreas Moch, Standortverantwortlicher im Mercedes-Benz Werk Mannheim. „Die Entwicklung von Prototypen ist für uns von großer Bedeutung, wenn es darum geht, möglichst schnell eine Serienfertigung von Elektro-Lkw zu starten.“ Mit seinem Fokus auf Batterietechnologien und Hochvoltsystemen ist der Standort Mannheim Teil eines Produktions- und Technologieverbunds für Antriebskomponenten und Batteriesysteme bei Daimler Truck. In einem Dreiklang ergänzt wird die Arbeit am Standort Mannheim durch das Werk in Gaggenau, das zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebskomponenten sowie der Montage wasserstoffbasierter Brennstoffzellenaggregate ausgebaut wird, und Kassel, das sich zum Kompetenzzentrum für elektrische Antriebssysteme entwickeln soll. uc